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Mittelstand in bester Stimmung

veröffentlicht im Genossenschafts-Magazin Weser-Ems, Ausgabe 02/2017

Die gute Stimmung im deutschen Mittelstand vom Frühjahr hat ein halbes Jahr später nach wie vor Bestand. Im Zuge der unverändert guten Rahmenbedingungen für die deutsche Wirtschaft hat sich die Geschäftslage der kleinen und mittleren Unternehmen sogar nochmals verbessert.

Die Geschäftserwartungen für die nächsten sechs Monate haben sich zwar leicht eingetrübt, bleiben aber immer noch auf einem hohen Niveau. Die im Mittelstand verbreitete Zuversicht äußert sich zudem in der weiterhin hohen Investitionsbereitschaft, die nahezu das Allzeithoch vom Frühjahr erreicht. Unterdessen hat das zuletzt rückläufige Auslandsengagement des Mittelstands wieder etwas zugelegt. Weniger bedrohlich als vor sechs Monaten sehen die mittelständischen Unternehmen den bevorstehenden Austritt Großbritanniens aus der EU; die große Mehrheit wird sich den Auswirkungen dieses Schritts jedoch nicht entziehen können. Dem sich weiter verschärfenden Fachkräftemangel begegnet der Mittelstand inzwischen mit einer breiten Palette an Maßnahmen. Sorgen bereiten zudem die anhaltenden Niedrigzinsen, die angesichts weiter gestiegener Eigenkapitalquoten und zunehmender Finanzierung aus dem Cashflow zu sinkenden Zinseinnahmen aus Geldanlagen führen.

Das sind die wesentlichen Ergebnisse der Studie „Mittelstand im Mittelpunkt“. Diese enthält die Resultate der VR Bilanzanalyse des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) und der VR Mittelstandsumfrage der DZ BANK.

Geschäftslage nochmals verbessert

Ihre aktuelle Geschäftslage bewerten die mittelständischen Unternehmen im Herbst nochmals besser als im Frühjahr. Der Saldo aus positiven und negativen Antworten steigt von 69 auf 74 Punkte, das ist das zweitbeste Ergebnis seit dem Start der Mittelstandsumfrage vor mittlerweile 21 Jahren. Insgesamt beurteilen 86,7 Prozent der befragten Mittelständler ihre aktuelle Lage mit „sehr gut“ oder „gut“. In allen Branchen überwiegen positive Einschätzungen zur Geschäftslage. Am zufriedensten ist erneut das Baugewerbe, das von den anhaltend niedrigen Zinsen profitiert. Am geringsten ausgeprägt ist dagegen die Zufriedenheit in der Agrarwirtschaft, der vor allem die niedrigen Preise zu schaffen machen.

Geschäftserwartungen trüben sich leicht ein

Nicht ganz so gut wie über ihre aktuelle Geschäftslage äußern sich die Mittelständler in Bezug auf ihre Geschäftserwartungen für die nächsten sechs Monate. Der Saldo aus optimistischen und pessimistischen Erwartungen ist zwar leicht von 27,3 Punkten im Frühjahr auf nunmehr 25,7 Punkte gesunken, liegt aber immer noch deutlich über dem langjährigen Mittelwert von 23 Punkten. Zudem überwiegt inzwischen in allen Branchen der Optimismus mit Blick auf die nähere Zukunft. Nicht zuletzt wegen der jüngsten Milchpreiserhöhungen schauen nun selbst die Landwirte wieder zuversichtlicher auf das nächste halbe Jahr. Die „rote Laterne“ haben sie an das Baugewerbe weitergereicht, das sich inzwischen merklich skeptischer äußert als noch im Frühjahr. Den größten Optimismus zeigen derzeit die Mittelständler in der Elektroindustrie sowie in der Chemie- und Kunststoffindustrie.

Investitionsneigung nahezu auf Allzeithoch

Die ausgeprägte Zuversicht der mittelständischen Unternehmen im Herbst spiegelt sich auch in der nach wie vor hohen Investitionsbereitschaft. So wollen 80,7 Prozent der befragten Mittelständler in den nächsten sechs Monaten in ihr Unternehmen investieren – das zweitbeste Ergebnis seit Bestehen der Mittelstandsumfrage. Es liegt deutlich über dem langjährigen Mittelwert von 71,5 Prozent und nur knapp unter dem Allzeithoch vom Frühjahr (81,3 Prozent). Ostdeutschland erzielt mit 80,9 Prozent überdies einen neuen Rekordwert. Von den mittelständischen Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 50 Millionen Euro wollen sogar über 90 Prozent investieren. Am höchsten ist die Investitionsneigung bei den Mittelständlern in der Chemie- und Kunststoffindustrie mit 88 Prozent, am niedrigsten bei den Landwirten mit 69 Prozent.

„Die mittelständischen Unternehmen legen nach wie vor eine außerordentlich hohe Investitionsbereitschaft an den Tag. Das ist ein klares Zeichen von Zuversicht und Stärke. Der Mittelstand ist und bleibt das Schwungrad der deutschen Wirtschaft“, erläutert Stefan Zeidler, Firmenkundenvorstand der DZ BANK für die Regionen Baden-Württemberg, Bayern und Mitte.

Bei grundsätzlich hoher Investitionsneigung zeigen sich die Mittelständler hinsichtlich ihres geplanten Investitionsvolumens etwas verhaltener. Während im Frühjahr noch rund 30 Prozent der Befragten das Investitionsvolumen erhöhen wollten, ist es nun nur noch rund ein Viertel. Immerhin liegt auch dieser Wert über dem langfristigen Durchschnitt.

Die anhaltend niedrigen Zinsen sind auch für den Mittelstand ein zweischneidiges Schwert. Zwar kommen die Unternehmen günstiger an Kredite, gleichzeitig sinken aber die Zinseinnahmen aus eigenen Anlagen. Dieses Problem hat sich im Herbst noch einmal verschärft: Fast die Hälfte der befragten Unternehmen leidet inzwischen unter fallenden Zinseinnahmen.

Personalplanung weiter expansiv – Initiative gegen Fachkräftemangel

Die seit dem Jahr 2010 laufende Personaloffensive im Mittelstand hält weiter an. Ein Drittel der kleinen und mittleren Unternehmen hat in den vergangenen sechs Monaten den Personalbestand erhöht, am stärksten im Ernährungsgewerbe und in der Baubranche. Im kommenden halben Jahr plant ein Viertel der Befragten einen weiteren Personalaufbau; außer der Agrarwirtschaft wollen alle Branchen ihre Beschäftigung ausweiten.

Allerdings bereitet der sich weiter verschärfende Fachkräftemangel dem Mittelstand zunehmend Sorgen und ist für 70,4 Prozent der befragten Unternehmen mittlerweile das größte aktuelle Problemfeld. Um dieser Belastung Herr zu werden, nutzen die Mittelständler inzwischen ein vielfältiges Instrumentarium: Besonders wichtig ist es für die befragten Unternehmen, qualifiziertes Personal auch in Krisenzeiten zu halten und mit Qualifizierungsmaßnahmen gegenzusteuern.

„Die mittelständischen Unternehmen gehen wieder einmal voran und stemmen sich dem wachsenden Fachkräftemangel entgegen. Damit ebnet der deutsche Mittelstand den Weg, um auch in Zukunft seiner Rolle als Jobmotor der deutschen Wirtschaft gerecht zu werden“, erläutert Uwe Berghaus, Firmenkundenvorstand der DZ BANK für die Regionen West, Nord und Ost.

Auslandsaktivität legt wieder zu – Brexit-Sorgen lassen nach

Nachdem das Auslandsengagement der deutschen Mittelständler im Frühjahr zum zweiten Mal in Folge rückläufig war, geht es nun wieder etwas nach oben: 54,2 Prozent der befragten Unternehmen sind im Ausland aktiv; dieses Ergebnis reflektiert zwar eine leicht anziehende Nachfrage der europäischen Nachbarn und erste Anzeichen für eine Verbesserung in den Schwellenländern. Allerdings wird das hohe Niveau früherer Jahre immer noch deutlich verfehlt.

Die britische Wirtschaft reagierte bisher erstaunlich robust auf das Brexit-Votum; derweil blicken die deutschen Mittelständler dem bevorstehenden Austritt Großbritanniens aus der EU inzwischen gefasster entgegen als noch im Frühjahr. So ist der Anteil der befragten Unternehmen, die sich von den Auswirkungen gar nicht betroffen zeigen, deutlich auf 36 Prozent (nach 28,1 Prozent im Frühjahr, also noch vor dem Referendum) gestiegen. Dieses Ergebnis bedeutet im Umkehrschluss jedoch auch, dass die Folgen eines Austritts fast zwei Dritteln der Mittelständler immer noch Sorgen bereiten.

Eigenkapitalausstattung weiter verbessert

Die bereits seit vielen Jahren verfolgte Eigenkapitalstärkung hat der deutsche Mittelstand auch 2015 erfolgreich fortgesetzt. So stieg die durchschnittliche Eigenkapitalquote der kleinen und mittleren Unternehmen um weitere 2,0 Prozentpunkte auf nunmehr 27,7 Prozent. Zugleich zeigt der vom BVR gemessene Bilanzqualitätsindex, dass die Mittelständler auch das hohe Qualitätsniveau ihrer Bilanzen annähernd halten konnten.

„Der Mittelstand wird die Herausforderungen aus  Fachkräftemangel, Brexit und Niedrigzinsniveau ohne größere Blessuren überstehen. Schließlich hat er sich in der Vergangenheit selbst bei großen Krisen als anpassungsfähig und robust erwiesen, und er hat seine Krisenfestigkeit insbesondere durch seine kontinuierliche Stärkung der Eigenkapitalquoten in den vergangenen Jahren erheblich steigern können“, erläutert BVR-Vorstandsmitglied Dr. Andreas Martin.

Die Daten für die VR Mittelstandsumfrage wurden in der Zeit vom 19. September bis 3. November 2016 im Rahmen einer telefonischen Umfrage von der nh2 AG, Bonn, erhoben. Die Stichprobe von 1.501 Unternehmen ist repräsentativ; befragt wurden Inhaber und Geschäftsführer mittelständischer Unternehmen in Deutschland.