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Digitalisierung - Vom Schlagwort zur Umsetzung in der genossenschaftlichen FinanzGruppe

veröffentlicht im Genossenschafts-Magazin Weser-Ems, Ausgabe 03/2017

Ein Bericht über die Veranstaltung „Wissenschaft und Praxis im Gespräch“ des Instituts für Genossenschaftswesen (IfG) an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster am 23. Januar von Christian Golnik und Benedikt Lenz, IfG Münster.

 © IfG Münster

 

Der Leitgedanke der 26. Veranstaltung „Wissenschaft und Praxis im Gespräch“ könnte vom Satz Bill Gates „Banking is necessary, banks are not" motiviert sein. Er dokumentierte bereits 1994 seine Auffassung zur Bank der Zukunft und spielte darauf an, dass Bankfilialen im Laufe der Zeit durch das Online Banking ersetzt würden. Diese Einschätzung hat sich weiter verbreitet und derzeit sehen viele Beobachter die Digitalisierung als Bedrohung. Statt in Angststarre zu verfallen, sollte sie jedoch als Chance und Treiber für Innovationen aktiv angegangen werden. Daher war es der Kerngedanke der Veranstaltung „Digitalisierung – Vom Schlagwort zur Umsetzung in der Genossenschaftlichen FinanzGruppe“, konkrete Beispiele für bereits entwickelte Lösungen aufzuzeigen und ihre Umsetzung in der Genossenschaftlichen FinanzGruppe zu demonstrieren. So waren der Einladung des Instituts für Genossenschaftswesen, unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Theresia Theurl, knapp 350 Teilnehmer gefolgt.

Dr. Andreas Zubrod, Vorstand der Union Asset Management Holding AG, eröffnete das Symposium mit einem Vortrag zum hauseigenen FinTech namens VisualVest, welches zur Gruppe der Robo Advisor gehört. VisualVest ist ein Onlineportal, durch das die private Geldanlage einfach und standardisiert von zu Hause aus durchgeführt werden kann. Damit präsentierte Dr. Zubrod konkret eine Lösung, wie die Digitalisierung als Chance innerhalb der Genossenschaftlichen FinanzGruppe umgesetzt werden kann. Er legte den Prozess der Entstehung des Robo Advisors dar. Es hat sich gezeigt, dass VisualVest im Vergleich zu anderen Robo-Advisorn vergleichbare Renditen liefert. Dr. Zubrod leitete daraus ab, dass etablierte Unternehmen durch die richtige Vorgehensweise das „Beste aus zwei Welten“ – der Online- und der realen Welt – vereinen können. Damit ein solches Produkt jedoch zum Erfolg wird, ist es zwingend notwendig, dass Vertrauen der Kunden in die Marke geschaffen wird. Da Genossenschaftsbanken dieses Vertrauen genießen, besteht hier ein erheblicher Vorteil gegenüber anderen Robo Advisors. In Bezug auf mögliche Weiterentwicklungen und Marktveränderungen im Bereich der Robo Advisor prognostizierte er, dass es zu einer starken Konsolidierung hinsichtlich ihrer Anzahl kommen wird und sich Robo-Technologien am Beraterarbeitsplatz verbreiten werden, wodurch Berater vor Ort ihren Fokus vermehrt auf eine übergreifende Finanzplanung richten können.

Daran anknüpfend referierte Thomas Ullrich, Vorstand der DZ BANK AG, über das allgemeine Innovationsmanagement im Finanzbereich und insb. in der DZ BANK-Gruppe. Er sieht wie Dr. Zubrod in der Digitalisierung große Chancen für die Genossenschaftliche FinanzGruppe. Grund hierfür ist, dass FinTechs einen innovativen Treiber für nachhaltigen Erfolg darstellen, von denen es Erhebliches zu lernen gilt. Es sind in nahezu allen Geschäftsbereichen und auf allen Wertschöpfungsstufen bereits FinTechs vorhanden. Diese haben die Bedürfnisse der Bankkunden bedeutend verändert. Die größten FinTechs seien aber auf dem amerikanischen Markt tätig und weisen im globalen Vergleich zu Banken einen eher geringen Umsatz aus. Da die größten FinTechs jedoch sehr hohe Unternehmenswerte aufweisen, wird für sie zukünftig ein hohes Wachstum erwartet. Weiterhin zeigte Ullrich, wie die Genossenschaftliche FinanzGruppe speziell ihr Innovationsmanagement ausgestaltet hat, die Impulse der FinTechs sowie der Kundenwünsche berücksichtigen möchte und wie der Innovationsmanagement-Prozess zukünftig ausgestaltet sein soll. Zusätzlich zu den bereits heute ergriffenen Maßnahmen wird ein „Innovation LAB“ umgesetzt werden, an dem auch Kunden beteiligt sein werden. Ullrich betonte, dass die Genossenschaftliche FinanzGruppe insgesamt bereits sehr gut aufgestellt sei und innovativ agiere.

Leonhard Zintl, Vorstand der Volksbank Mittweida eG, stellte klar, dass die aktuellen Facetten des Marktes als Herausforderung zu akzeptieren und offensiv mit einer klaren Idee anzugehen sind. In einem sich schnell verändernden Markt liegt seiner Ansicht nach der größte Handlungsbedarf im Wandel ineffizienter Prozesse. Um sich dieser Situation zu stellen, verlangt er eine klare Fokussierung auf die Entwicklung von Lösungen. Strategisch sieht er den Kern in der Ausrichtung auf den Kunden und darin, für das jeweilige Mitglied der Genossenschaft einen Nutzen zu stiften, wie es im §1 GenG festgeschrieben ist. Es gilt, geschäftliche Stabilität zu schaffen, Marktchancen wahrzunehmen und nicht vor großen Veränderungen zurückzuschrecken, sondern diese aktiv voranzutreiben. Zintl betonte die Kultur als wichtigen Faktor: Hier bestünde eine besondere Bedeutung von Vertrauens- und Leistungskulturen. Zusätzlich geht es auch darum Kleinigkeiten anzugehen. Ziel ist es dabei, zu in Echtzeit verlaufenden „One and Done“-Prozessen zu gelangen, welche keinerlei Medienbrüche mehr beinhalten und automatisch weiterverlaufen (zum Beispiel ein elektronisches Postfach). Er regt an, neue Themen zu beachten, mit Vorhandenem zu agieren, konsequent zu sein und sich für Kunden und Mitglieder im Sinne genossenschaftlicher Werte einzubringen.

Auch Dr. Ralf Kölbach, Vorstand der Westerwald Bank eG Volks- und Raiffeisenbank, sieht die Digitalisierung als eine Gegebenheit des heutigen Marktes. Er zeigte den Erfolgsweg seiner Bank auf und kennzeichnet ihn durch ein Erfolgsdreieck mit drei Kernaspekten. Erstens versteht er dabei unter „Windmühlen“ die Nutzung der Veränderungen, statt sich davon abzugrenzen, zweitens unter „Kooperation“ zum Beispiel mit FinTechs zusammen zu arbeiten oder sogar selbst das eigene Geschäftsmodell umzuwälzen und dies nicht der Konkurrenz zu überlassen. Drittens stellte er unter „Befähigung“ die Ausbildung einer starken (digitalen) Omni-Kanal-Fähigkeit (Fähigkeit alle Kundenkanäle zu betreiben) bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Mittelpunkt. Als Digitalisierungsaspekte seiner Bank hob er die Online-Legitimation, Videoberatung, Abschlussstrecken im Web 1.0 sowie die Themen von Social Media / Web 2.0 und eine bankeigene App in den Vordergrund. So erklärte er am Beispiel dieser App wie Digitalisierung als Vernetzungsplattform wirken kann. Trotz technisch-digitaler Aspekte verlangte Dr. Kölbach die Filiale als Ort der persönlichen Begegnung zu erhalten. So ist für ihn Digitalisierung vor allem für flächenmäßig große Banken eine Chance genossenschaftliche Förderung zu betreiben. Auch wenn digitale Investitionen hier keineswegs sichere Erfolge versprechen, wäre deren Ausbleiben wohl der Ruin einer Bank.

Die Podiumsdiskussion unter dem Thema „Digitalisierung – Keine Bedrohung, sondern eine Chance“ zeigte einen intensiv geführten Austausch unter der Moderation von Univ.-Prof. Dr. Theresia Theurl. Heiko Frohnwieser, Vorstand der Raiffeisenbank Oldenburg eG, sieht die große Herausforderungen darin, das beratungsbasierte Geschäftsmodell an die Digitalisierung anzupassen. Andreas Banger, Vorstand der Volksbank Gronau-Ahaus eG, ging auf die Veränderungen in der Kunde-Bank-Beziehung ein. Den Auslöser, sich mit digitalen Konzepten zu beschäftigen, sah Dr. Ralf Kölbach darin, die Überlebensfähigkeit der Bank nachhaltig zu bewahren und ihr Geschäftsmodell zu transformieren, jedoch den genossenschaftlichen Kern zu erhalten. Als Startpunkt der Umsetzung großflächiger Digitalisierungsmaßnahmen in der FinanzGruppe kennzeichnete Helmut Gawlik, Geschäftsführer der VR-NetWorld GmbH, den Start der Kampagne „Kundenfokus 2015“, kritisierte aber zugleich die Umsetzungen. Er fordert, die Banken stärker zu begleiten und deren Strukturen ggfs. deutlicher zu hinterfragen. Die Digitalisierung kann laut Andreas Banger das ureigene genossenschaftliche Geschäftsmodell stärken, sofern Veränderungsbereitschaft besteht. Bei neuen Kommunikationskanälen bleibt für Helmut Gawlik die Bank immer noch im Kundenkontakt und kann diese zum Erhalt der Kundenbeziehung nutzen. Dr. Ralf Kölbach berichtete, dass z. B. die App seiner Bank die Menschen zusätzlich vernetzen kann, wodurch der Genossenschaftsgedanke gefördert werden könnte. Als relevante Digitalisierungsaspekte sah Heiko Frohnwieser das Thema Kommunikation sowie den Fokus auf digitale Prozesse und digitale Kommunikation. Er betonte aber weiterhin einen Kunden-Mehrwert in der auf Vertrauen basierten Beratung. Auch wenn Helmut Gawlik in der dezentralen und zeitgleichen gruppeninternen Entwicklung von Innovationen nicht die Gefahr von Parallelentwicklungen sieht, mahnte er die Zielrichtung erfolgter Investitionen und deren verbindliche Umsetzung an. Auch Heiko Frohnwieser sah die Verbindlichkeit in der Umsetzung als Voraussetzung, um Skalenerträge zu heben, verlangte jedoch, dass neue Prozesse klar an den Primärbanken ausgerichtet und in der Gruppe abgestimmt sein müssen. Andreas Banger forderte zudem, die Kultur innerhalb der Gruppe so zu verändern, dass die bestehenden Ideen auch mutig angegangen werden. Die digitale Bankstrategie muss laut Dr. Ralf Kölbach weiterhin genossenschaftlich sein, jedoch auch das Testen von neuen Lösungen erlauben, was für Banker schwierig sei, bei Genossenschaften jedoch in der DNA liegt. Wortmeldungen aus dem Publikum betonten sowohl bestehende Umsetzungsprobleme wie auch eine zu optimierende Fehlerkultur in der FinanzGruppe, mit deren Hilfe neue Innovationen einfacher zu verwirklichen wären. In einer Schlussrunde sahen die Diskutanten die größten Chancen durch die Digitalisierung für Genossenschaftsbanken überwiegend darin, mit den genossenschaftlichen Werten sehr nah am Mitglied zu sein und die bankeigenen Prozesse weiter optimieren zu können.

Die nächste Veranstaltung „Wissenschaft und Praxis im Gespräch“ wird am 19. Juni in Münster stattfinden.