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Neuregelungen im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz

veröffentlicht im Genossenschafts-Magazin Weser-Ems, Ausgabe 05/2017

Ein Fachbeitrag von Rechtsanwalt Jens Stutz, stellvertretender Leiter der Abteilung Rechtsberatung unseres Verbandes.

Mit Wirkung zum 1. April 2017 hat der Gesetzgeber das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (im Folgenden kurz: AÜG) geändert. Der Gesetzgeber will mit den Änderungen das bereits seit 1972 geltende Gesetz deutlicher gestalten. Die wesentlichste Änderung des Gesetzes ist die Festlegung einer Überlassungshöchstdauer von maximal 18 Monaten pro Arbeitnehmer an denselben Entleiher (so künftig § 1 Abs. 1 b AÜG).

Der Gesetzgeber will Möglichkeiten, die Überlassungshöchstdauer zu umgehen, verringern: Unterbrechungen bei der Überlassung führen bei einem Zeitraum von bis zu drei Monaten pro Unterbrechung zu einer Anrechnung dieser Zeiten auf die Überlassungshöchstdauer. Erst wenn zwischen den Überlassungen mehr als drei Monate liegen, wird die vorangegangene Überlassung nicht auf die Höchstdauer der nachfolgenden Überlassung angerechnet.

Bei der Höchstüberlassungsdauer von bis zu 18 Monaten gilt allerdings lediglich die Zeit der Überlassung nach dem 1. April 2017. Vorangegangene Überlassungszeiträume werden also bei der Berechnung der Überlassungshöchstdauer nicht herangezogen.

Tarifvertragsparteien soll die Möglichkeit eingeräumt werden, in ihren Tarifverträgen eine längere als die gesetzliche Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten festzusetzen.

Zunächst einmal wird immer zu prüfen sein, ob im Einzelfall überhaupt eine genehmigungspflichtige Arbeitnehmerüberlassung vorliegt. Der Gesetzgeber will durch einen neu gefassten § 611 a BGB die missbräuchliche Gestaltung von Verträgen beim Einsatz fremden Personals jedenfalls verringern. Der Gesetzgeber übernimmt hierbei die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zur Tätigkeit von Scheinselbstständigen.

So wie bisher auch vom BAG entschieden, kommt es auf eine Gesamtbetrachtung des Einzelfalls an. Zu prüfen sind bei der vereinbarten Vertragsgestaltung die betriebliche Eingliederung der Arbeitnehmer, das Weisungsrecht und die Haftung. Die erlaubnisbedürftige Arbeitnehmerüberlassung muss hierbei abgegrenzt werden von Dienst-, Werk- oder Geschäftsbesorgungsverträgen. Zu prüfen ist hierbei insbesondere die Integration des Arbeitnehmers in die Arbeitsorganisation des Betriebes. Zu fragen ist, wer befugt ist, dem Arbeitnehmer Weisungen zu erteilen und wer für ein etwaiges Verschulden des Arbeitnehmers die Haftung übernimmt.

Grundsätzlich bedarf die Arbeitnehmerüberlassung nach dem AÜG einer vorangehenden gebührenpflichtigen behördlichen Erlaubnis. Eine Erlaubnis kann grundsätzlich nur erteilt werden, wenn die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die verliehen werden sollen, gleich bezahlt und gleich behandelt werden wie die mit ihnen vergleichbaren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Betrieb des Entleihers.

Verstöße gegen das Gebot der gleichen Bezahlung und der gleichen Behandlung sind bußgeldbewehrt.

Die lediglich „gelegentliche“ Überlassung bleibt auch weiterhin gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 2 a AÜG erlaubnisfrei. Das Gebot der gleichen Bezahlung und Behandlung gilt dann nicht. Allerdings sind sehr strenge Anforderungen an die Voraussetzung der „Gelegentlichkeit“ zu stellen. Die Abdeckung eines kurzfristigen Spitzenbedarfs soll möglich sein.

Eine Ausnahme von der Erlaubnispflicht kann überdies auch weiterhin nur dann bestehen, wenn „der Arbeitnehmer nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt oder beschäftigt wird“.

Erlaubnispflichtige Überlassungen liegen insbesondere im Bereich des dauerhaften Leistungsaustausches vor (Kooperationen bei Geldwäschebeauftragen oder Innenrevisoren).

Unzulässig wird mit dem neuen § 1 Abs. 1 Satz 3 AÜG der sogenannte „Kettenverleih“. Künftig dürfen Leiharbeitnehmer nur von ihren originären arbeitsvertraglichen Arbeitgebern verliehen werden. Damit ist künftig explizit ein Ketten-, Zwischen- oder Weiterverleih unzulässig.

Wenn Entleiher und Verleiher Verträge über die Überlassung von Arbeitnehmern abschließen, müssen sie diese auch als Arbeitnehmerüberlassungsverträge bezeichnen. Erfolgt dies nicht, so ist ein solcher Verstoß bußgeldbewehrt. Die Bundesagentur für Arbeit vertritt in einer aktuellen Arbeitsanweisung die Auffassung, dass nunmehr auch in laufenden Vertragsverhältnissen, die bereits vor dem 1. April 2017 bestanden und über dieses Datum hinaus fortgeführt werden, die Bezeichnung Arbeitnehmerüberlassungsvertrag verwandt werden muss. Laufende Verträge sollten somit entsprechend angepasst werden.

Bei Verstößen von Verleihern und Entleihern gegen diese Pflichten wird ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer fingiert. Ein Arbeitsvertrag zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer wird bei Verstößen von Verleiher und Entleiher künftig unwirksam. Verstöße liegen insbesondere vor beim Fehlen der behördlichen Erlaubnis, beim Fehlen der Bezeichnung als Arbeitnehmerüberlassungsvertrag, bei Überschreitung der gesetzlich zulässigen Höchstdauer von bis zu 18 Monaten und bei der Nichteinhaltung des Gebotes der gleichen Bezahlung und Behandlung.

Der Leiharbeitnehmer, der bei diesen Verstößen durch die gesetzliche Fiktion zum Arbeitnehmer des Entleihers wird, kann allerdings binnen Monatsfrist nach Arbeitsaufnahme bzw. nach Überschreiten der Höchstüberlassungsdauer erklären, am bisherigen Arbeitsverhältnis zum Verleiher festhalten zu wollen. Hierfür hat der Gesetzgeber allerdings sehr hohe und komplizierte Hürden vorgesehen. Der Leiharbeitsnehmer muss sich zunächst einmal an die Agentur für Arbeit wenden, die Agentur für Arbeit muss die Erklärung mit dem aktuellen Datum versehen und hierbei auch die Identität des Leiharbeitnehmers festgestellt haben. Die Erklärung selbst muss spätestens am dritten Tag nach der Vorlage bei der Agentur für Arbeit dem Verleiher oder Entleiher zugehen.

In § 11 Abs. 5 AÜG wird ein Streikbrecherverbot aufgenommen, wonach eine Entleihe ohnehin nur dann zulässig ist, wenn der Betrieb des Entleihers nicht unmittelbar von einem Arbeitskampf betroffen ist. Zulässig bleibt auch weiterhin die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen des Konzernprivilegs. Demnach können auch weiterhin Muttergesellschaften an Tochtergesellschaften und umgekehrt Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verleihen, wobei hier stets im Einzelfall zu überprüfen ist, ob ein solches Konzernprivileg vorliegt. Zu prüfen ist hierbei stets die Leitungsbefugnis und die Beteiligungshöhe der Muttergesellschaft bei der Tochter.