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Die genossenschaftliche FinanzGruppe 2025

veröffentlicht im Genossenschafts-Magazin Weser-Ems, Ausgabe 09/2017

Die Veranstaltung der Reihe „Wissenschaft und Praxis im Gespräch“ am 19. Juni widmete sich dem Thema „Es wächst zusammen, was zusammen gehört? Die genossenschaftliche FinanzGruppe 2025“.

Eine Zusammenfassung von Christian Golnik und Benedikt Lenz, IfG Münster

Die Anzahl von Genossenschaftsbanken ging in den letzten Jahrzehnten erheblich zurück. Zeitgleich wurden in der genossenschaftlichen FinanzGruppe Fusionen von Zentralbanken und Rechenzentralen sowie von Regionalverbänden durchgeführt, was interne Strukturen nachhaltig verändert und effizientere Prozesse ermöglicht hat. Damit ändern sich aber auch Governancestrukturen in der gesamten FinanzGruppe und Kräfte verschieben sich. Es liegt nahe Beziehungen zwischen zentralen Dienstleistern und Genossenschaftsbanken zu überprüfen. Insgesamt sollte die Gruppe profitabel aufgestellt sein, die Banken effizient arbeiten können und zugleich deren Mitwirkung gewährleistet sein. Die Veranstaltung der Reihe „Wissenschaft und Praxis im Gespräch“ widmete sich dem Thema „Es wächst zusammen, was zusammen gehört? Die genossenschaftliche FinanzGruppe 2025“. Der Einladung des Instituts für Genossenschaftswesen unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Theresia Theurl folgten annähernd 250 Teilnehmer, um Herausforderungen dieser neuen Strukturen zu diskutieren und Ansatzpunkte sowie Handlungsoptionen aufzuzeigen.

Hans-Bernd Wolberg, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der DZ BANK AG, eröffnet das Symposium mit einem Vortrag zum Thema „Fair, effizient, agil – genossenschaftliche Identität in einer digitalisierten Welt“. Er stellte fest, dass die Konsolidierung teils abgeschlossen ist und auch Regionalverbände in Bewegung sind. Bei Fusionen auf der Primärstufe meinte er, dass hier oftmals zusammenwachse, was zusammengehöre. Gleichwohl sehe man auch Fusionen von Primärbanken, bei denen man sich nicht ganz sicher sein könne. Er konstatiert, dass die Primärstufe das Aushängeschild zum Kunden sei und auch bleibe. Entscheidend sei, welche Anforderungen Mitglieder und Kunden an ihre Genossenschaftsbank im Jahr 2025 stellten und wie die Bank im Stande sei, diese Anforderungen mit subsidiärer Unterstützung zu erfüllen. Digitalisierung habe das Alltagsleben verändert und der Anteil digitaler Kunden werde weiter anwachsen. Für die genossenschaftliche Identität jeder Genossenschaftsbank sei ihre physische und emotionale Präsenz vor Ort von Bedeutung. „Genobanking“ ist seit jeher und bleibt auch Beziehungsbanking. Die Genossenschaftsbank der Zukunft müsse, so Wolberg, sich ihrer Identität bewusst sein und diese den Mitgliedern und Kunden erlebbar machen. Dafür müsse sie fair, effizient und agil sein. Bei Fairness führte er aus, dass zum magischen Dreieck (Rentabilität, Sicherheit und Liquidität) die „Ethik“ hinzukäme. Bei Effizienz fuße der Erfolg der Gruppe von jeher auf der Zusammenarbeit und der Arbeitsteilung. Genossenschaftsbanken stünden zudem für Agilität. Im engen Schulterschluss mit dem Verbund stelle sich die DZ BANK ihrer Verantwortung als „Die Initiativbank“. Wolberg stellte fest, dass sich die genossenschaftliche FinanzGruppe so positionieren müsse, dass sie als Finanzdienstleister auch in der digitalen Sphäre wahrgenommen werde, ohne jedoch ihren Wiedererkennungswert vor Ort aufs Spiel zu setzen und damit austauschbar zu werden. Dafür skizzierte er weitere Ansätze.

Dr. Andreas Martin, Vorstand des Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. (BVR), führte aus, dass sich die genossenschaftliche FinanzGruppe seit langem entwickelte, konsolidierte und dies auch weiterhin wird. Das gemeinsame Rollenverständnis sieht er im Ziel der bestmöglichen Förderung der Mitglieder und Kunden durch deren Versorgung mit Finanzprodukten. Dabei sieht er als Erfolgsfaktoren die unternehmerische Unabhängigkeit der Ortsbanken und die gemeinsame Wertebasis der „genossenschaftlichen Zielpyramide“. Das Fundament der genossenschaftlichen FinanzGruppe bilden dabei für ihn Werte der Eigenverantwortung, Selbständigkeit, Subsidiarität und Solidarität. Er unterstrich die Solidargemeinschaft und Organisationsstruktur, welche die Selbstdisziplin fördere. Auch sieht er das gruppeninterne „duale System“ als deutlich geeigneter an, für Stabilität zu sorgen als eine gesamteuropäische Lösung. Die genossenschaftliche FinanzGruppe sei weder ein Konzern, noch solle einer werden. In ihr wird Zusammenhalt durch vielfältige Mechanismen gestützt. Dr. Martin sieht mit den Trends einer von Jahr zu Jahr sinkenden Kundenbindung und dem Komfort-Faktor beim Kunden jedoch bedeutende Herausforderungen für die gesamte Gruppe. Kunden würden das Produkt, eine grundsätzliche Bequemlichkeit und Einfachheit sowie den Preis im Vordergrund sehen. Wichtig sei es hierzu in der digitalen Welt zu überzeugen, was dezidiert die Fachlichkeit voraussetzt. Dies geschehe insb. durch das Projekt „KundenFokus 2020“ oder den „Ständigen Projekt- und Strategieausschuss“. Die Gruppe ist gefordert, ihre Leistungsfähigkeit und Solidität nicht nur gegenüber dem Kunden, sondern auch gegenüber weiteren Adressaten zu beweisen. Auch sieht er teils Verbesserungsbedarf, bei dem das gruppeninterne Zusammenspiel sowie die Verantwortungsübernahme von Zentralbank und Rechenzentrale von Bedeutung sind. Den BVR sieht er in der Verantwortung die Diskussionen im Sinne der Ortsbanken zu moderieren und zu gemeinsam getragenen Entscheidungen zu bringen.

Klaus-Peter Bruns, Vorsitzender des Vorstands der Fiducia & GAD IT AG, referierte über den Zusammenschluss der beiden Häuser Fiducia IT AG und GAD eG und deren Projekte und Aufgaben. Nach einer Unternehmensvorstellung berichtete er über aktuelle Marktveränderungen, gruppeninterne Fusionen sowie den Stand der Migration der Gesamtbanksoftwarelösung agree21 in Genossenschaftsbanken. Bruns zeigt den Umfang dieses Gesamtbankverfahrens und deren strategische Entwicklungsfelder auf. Da die Digitalisierung die Banken besonders hart treffen werde, macht die Fiducia & GAD AG digitale Lösungen für ihre Kunden marktfähig. Zu den Lösungen zählen unter anderem das ePostfach, die VR-Banking App oder der Online Finanzstatus. Er gibt Einblicke in aktuelle Innovationsprojekte sowie Ideen, die teils bis zur marktfähigen Version weiterentwickelt werden. FinTechs sind für ihn lediglich eine Übergangserscheinung. Gravierendere Bedrohungen seien große Technologiefirmen wie Google, Facebook, Amazon oder auch Apple, die nicht nur einzelne Aspekte der Wertschöpfungskette angreifen, sondern eigene digitale Ökosysteme betreiben und über ein hohes Disruptionspotenzial verfügen. Anbieter wie Facebook oder airbnb sind heute Kollaborationsplattformen und erzielen durch Partnerbeiträge hohe Bewertungen, die Partner werden aber gering bis überhaupt nicht am Erfolg beteiligt. Dies sei bei Genossenschaften anders, denn hier seien die Kollaborationspartner auch die Eigentümer. Volks- und Raiffeisenbanken haben umfangreiche lokale Ökosysteme, die in Zukunft mittels einer digitalen Plattform miteinander vernetzt werden (sollen), so dass alle Mitglieder davon profitieren und die Banken weiterhin im Mittelpunkt stehen können.

In der abschließenden Podiumsdiskussion zum Thema „Vielfältig, aber auch schlagkräftig? Die neuen Beziehungen im Verbund“ lieferten sich die Diskutanten eine kontroverse Diskussion. Die vier Entscheidungsträger aus genossenschaftlichen Organisationen zeigten dabei unter der Moderation von Univ.-Prof. Dr. Theresia Theurl sowohl unterschiedliche als auch gemeinsame Standpunkte. Andreas Stein, Vorstand der Raiffeisenbank Tüngental eG, führte aus, dass seine kleine Bank mit vier Mitarbeitern ökonomisch solide aufgestellt ist und sich gut entwickelt. Das Bankgeschäft habe sich kaum verändert und Kunden nutzen persönliche Beratung. Seiner Meinung nach schädigen Fusionen häufig gesunde Banken. Für ihn steht der Kunde und seine Nähe zur Bank im Vordergrund. Von einem anderen Weg – der beabsichtigten Durchführung einer Fusion – berichtete daraufhin Markus Bludau, Vorstand der Volksbank Göttingen eG. Insbesondere mittelgroße Banken stehen für ihn derzeit vor hohen Herausforderungen, leistungsfähig zu sein und zu bleiben. Jedoch muss die Fusion nach politischen, wirtschaftlichen und regulatorischen Überlegungen sinnvoll sein. Für Dr. Andreas Martin wird dazu der Auslagerungsprozess von alle Primärbanken marktgetrieben weitergehen. Siegfried Mehring, Vorstand des Rheinisch-Westfälischer Genossenschaftsverband e. V. sowie des Genossenschaftsverbandes, merkte an, dass es früher überwiegend Fusionen unter größeren Instituten gab, nun jedoch größenunabhängig Fusionen stattfinden. Es gilt, den Blick auf die Kunden und deren Veränderungen zu richten. Dass nach gruppeninternen Fusionen ein Teil des Wettbewerbs abnimmt, sieht Dr. Andreas Martin nicht. Nun ginge es für ihn – speziell für Verbundunternehmen – darum, nicht ein behäbiger Monopolist zu werden, was die Primärbanken und verbundinterne Governance jedoch verhindern können. Mehring merkte direkt an, dass Primärinstitute diese Kontrollfunktion auch heute bereits betreiben. Angesprochen auf seine konkrete Fusion versprach er, dass diese Fusion nicht bewirke, dass die Nähe zwischen dem Verband und seinen betreuten Instituten abnehmen werde. Fusionen von Rechenzentralen sowie Zentralbanken heißt Andreas Stein gut, bezweifelt allerdings bei  manchen Fusionen von Primärinstituten die erwarteten  Synergien. Er merkt aber an, dass das Umfeld eine wichtige Rolle für den Fusionserfolg bildet. Markus Bludau will, dass Kunden ein Mehr durch die Fusion erleben. Wortmeldungen unterstützten die Ansicht, dass der Kunde der zentrale Orientierungspunkt ist und sein muss. Stein griff dies auf und ergänzte den Aspekt Vertrauen. Für eine erfolgreiche Zukunft verlangte Dr. Andreas Martin, dass sich die Gruppe auf alle Eventualitäten einstellen muss. In der Schlussrunde stellten die Diskutanten sowohl die hauptsächlichen Herausforderungen als auch Ihre Vision für das Jahr 2025 heraus.

Die nächste Veranstaltung „Wissenschaft und Praxis im Gespräch“ wird am 22. Januar 2018 stattfinden.