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Genossenschaften bilden stabilen Kern der Wirtschaft

06.09.2017

Verband bleibt selbstständig

 © Thorsten Ritzmann

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Auf dem Verbandstag 2017: Bankdirektor Klaus Krömer (v.l.), Klemens Skibicki, Verbandsdirektor Johannes Freundlieb, DRV-Präsident Franz-Josef Holzenkamp, Verbandsratsvorsitzender Ralph Zollenkopf, DZ BANK-Vorstandsvorsitzender Wolfgang Kirsch, Verbandsdirektor Axel Schwengels und die Präsidiumsmitglieder Heiko Plump, Johann Kramer und Franz Meyer

Über 320 Vertreter der rund 300 genossenschaftlichen Mitgliedsunternehmen sowie Gäste aus Politik und Wirtschaft besuchten den Verbandstag des Genossenschaftsverbandes Weser-Ems am 6. September in den Weser-Ems Hallen. Den Gastvortrag „Digitalisierung – mehr Kopfsache als Technologie?“ hielt Klemens Skibicki, Experte für Digitalen Wandel und Social Media.

Durch den Verbandstag führte der Verbandsratsvorsitzende Ralph Zollenkopf, Vorsitzender des Vorstandes der Raiffeisen-Volksbank Varel-Nordenham eG. Die Grußworte sprachen der Vorstandsvorsitzende Wolfgang Kirsch, DZ BANK AG, Frankfurt am Main, und der Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes Franz-Josef Holzenkamp.

Zollenkopf stellte in seiner Begrüßung heraus, dass der Verband für seine Zukunftsaufgabe gut aufgestellt ist. Durch die hohe Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und das solide wirtschaftliche Fundament ist er leistungsstark, innovativ und flexibel. Des Weiteren zeichnet sich der Verband durch Vertrautheit, Verlässlichkeit und ein enges Miteinander mit seinen Mitgliedsunternehmen aus. „Hierauf aufbauend wollen wir auch in Zukunft als selbstständiger Verband für unsere Mitglieder tätig sein und diese in ihren Belangen optimal unterstützen“, so Zollenkopf vor dem Hintergrund zunehmender Zentralisierungstendenzen im genossenschaftlichen Verbund.

Kirsch zeigte auf, dass genossenschaftliche Werte derzeit eine hohe Beachtung finden – selbst in den Wahlprogrammen aller im Bundestag vertretenen Parteien spielten sie eine Rolle. Im Hinblick auf die expansive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank führt er aus „(...) dauerhafte Niedrigzinsen gefährden nicht nur unser aller Sparleistung, sie untergraben mittelfristig das Fundament unserer Gesellschaft“.

Holzenkamp unterstrich in seinem Grußwort, dass die Unternehmen der Land- und Agrarwirtschaft nicht zum Spielball gesellschaftlicher Moden werden dürfen. Als weiteres wichtiges Thema sieht er die zunehmende Implementierung digitalisierter Lösungen auch im Bereich der Ländlichen Genossenschaften.

Genauso vielseitig und komplex wie der digitale Strukturwandel ist auch die Desorientierung in den Führungsetagen vieler Unternehmen. Hier muss vielerorts noch mehr ganzheitliches Verständnis und klare Zielvisionen aufgebaut werden, betonte Skibicki, Experte für Digitalen Wandel und Social Media und Professor für Marketing und Marktforschung an der Cologne Business School, in seinem Vortrag „Digitalisierung – mehr Kopfsache als Technologie?“.

Ergebnisse der Geschäftsentwicklungen

Die Ergebnisse der Geschäftsentwicklungen der dem Verband angehörenden Genossenschaften und genossenschaftlichen Unternehmen stellte Verbandsdirektor Axel Schwengels vor. Die annähernd 300 Mitgliedsunternehmen, die Volksbanken und Raiffeisenbanken, die Waren-, Vermarktungs- und Dienstleistungsgenossenschaften, die Energiegenossenschaften und die vielen weiteren Mitgliedsunternehmen konnten in 2016 und auch im laufenden Geschäftsjahr in ihren Märkten wachsen und ihr solides wirtschaftliches Fundament weiter festigen.

„Unsere Genossenschaften sind ein Gewinn für alle Menschen in Weser-Ems, weil sie Verantwortung in der Region für die Region übernehmen. Das gelingt, weil sie überschaubar sind, weil sie den Menschen vertraut sind und die Menschen wiederum ihrer Genossenschaft vertrauen, und weil sie eben regional verankert und damit identitätsstiftend sind. Die unserem Verband angehörenden Genossenschaften bilden einen stabilen Kern der mittelständischen Wirtschaft in Weser-Ems“, so Schwengels.

Genossenschaftsbanken

Die dem Verband angehörenden 59 Genossenschaftsbanken haben ihre Marktposition in 2016 weiter ausgebaut. „Sie betreiben Bankgeschäft nicht als Selbstzweck, sondern sie dienen damit der Realwirtschaft. Sie sind ihren Mitgliedern und Kunden sehr nahe und agieren vorbildlich in der Region für die Region. Diese Nähe und das solide Wirtschaften erkennen die Marktteilnehmer an, wie die geschäftlichen Erfolge eindrucksvoll zeigen“, so Schwengels.

Das Kreditwachstum in Höhe von 3,9 Prozent auf 19 Milliarden Euro, die Zunahme im Einlagengeschäft um 6,4 Prozent auf 16,8 Milliarden Euro und der Anstieg des addierten Bilanzvolumens um 5,2 Prozent auf 25,8 Milliarden Euro sind sehr erfreulich angesichts des intensiven Margen- und Kostendrucks. Zusätzlich vermittelten die Genossenschaftsbanken ein um 7,6 Prozent höheres Kundenkreditvolumen (5,3 Milliarden Euro) und ein um 4,5 Prozent höheres Kundenanlagevolumen (7,2 Milliarden Euro) an Verbundunternehmen der Genossenschaftlichen FinanzGruppe Volksbanken Raiffeisenbanken. Somit stieg das betreute Kundenvolumen insgesamt um 5,2 Prozent (48,7 Milliarden Euro).

Das Betriebsergebnis vor Bewertung in Höhe von 1,02 Prozent der durchschnittlichen Bilanzsumme fiel gegenüber dem Vorjahr (1,09 Prozent) leicht niedriger aus, war im Bundesvergleich aber wiederum ein Spitzenwert. Nach Verrechnung des Bewertungsergebnisses aus dem eigenen Wertpapierbestand und aus den Kundenforderungen konnten die dem Verband angehörenden Genossenschaftsbanken die insgesamt gute Eigenkapitalausstattung und Risikovorsorge weiter stärken und an die Mitglieder eine attraktive Dividende auf die Geschäftsguthaben zahlen.

Im ersten Halbjahr 2017 hat sich das Kredit- und Einlagengeschäft ebenfalls erfreulich positiv entwickelt, gleiches gilt für das Vermittlungsgeschäft. Für das gesamte laufende Geschäftsjahr erwartet der Verband auf Basis der ausgewerteten Ertragsvorschaurechnungen ein leicht rückläufiges Betriebsergebnis, voraussichtlich wird die Marke von einem Prozent knapp unterschritten.

„Die berechtigte Anerkennung über das Erreichte darf unseren gemeinsamen Blick nicht dafür trüben, dass angesichts schwieriger Rahmenbedingungen noch viele Herausforderungen vor uns liegen“, betonte Schwengels. Schwierig machten das Bankgeschäft vor allem die Null- und Negativzinspolitik der Europäischen Zentralbank sowie eine überbordende Regulatorik, die alle Kreditinstitute eher mehr als weniger und dadurch völlig unangemessen über einen Kamm schert. Zudem verändert sich der Markt für Finanzdienstleistungen rasant. Laut Schwengels ist die Digitalisierung Herausforderung und Chance zugleich. „Unser Ziel ist es, die Mitgliederorientierung und -nähe sowie die lokale Identität der Genossenschaftsbanken auch in der digitalen Welt überzeugend umzusetzen“, unterstrich der Verbandsdirektor.

„Wir müssen investieren – und jede Investition fängt bekanntlich mit einer Auszahlung an –, während unsere Erträge erodieren“, so Schwengels an die Mitglieder gewandt. Das sorge für eine gewisse Anspannung. Dennoch ist die Genossenschaftliche FinanzGruppe Volksbanken Raiffeisenbanken die effizienteste, effektivste und vertriebsstärkste deutsche Bankengruppe, wie die Wachstumsraten der vergangenen Jahre belegen. „Aber wir müssen gemeinsam in der Gruppe dafür sorgen, dass wir so gut aufgestellt bleiben, alle Herausforderungen auch in Zukunft zu meistern. Es gilt, die Zukunft gemeinsam zu gestalten, gemeinsam mit motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und mithilfe strukturierter Beratungsprozesse sowie wettbewerbsfähiger Produkte und Leistungen – und dabei unsere genossenschaftliche Identität zu behalten“, so Schwengels abschließend zu den Genossenschaftsbanken.

Verbandsdirektor Johannes Freundlieb ging anschließend auf die Verbandsarbeit ein. Hierzu gehört auch eine umfassende Interessenvertretung, bei der die Bankenregulierung „leider ein Dauerthema, weil andauerndes Ärgernis“ ist. Immerhin konnten zum Beispiel Erleichterungen bei den Vorgaben der so genannten Wohnimmobilienkreditrichtlinie erreicht werden und mit einem gemeinsamen Positionspapier wirbt die Deutsche Kreditwirtschaft, durchaus unterstützt von Bundesfinanzministerium, BaFin und Bundesbank, für ein mehrgliedriges regulatorisches Regime, das kleine und kleinste Institute unterhalb einer noch heiß umkämpften Bilanzsummengrenze von einigen Anforderungen komplett freistellt (Stichwort Small and Simple Banking Box). „Diese Vorschläge dann auf EU-Ebene durchzusetzen, ist eine schwierige Aufgabe, die ein gleichermaßen geschlossenes wie entschlossenes Auftreten der maßgeblichen deutschen Kräfte erfordert“, so Freundlieb weiter. Dieses Auftreten ist auch gegen den Plan der EU-Kommission gefordert, die Einlagensicherungssysteme in der Euro-Zone schrittweise zu vergemeinschaften. „Wir lehnen es nach wie vor ab, mit unserer bestens funktionierenden Einlagensicherung künftig nicht nur die Sparvermögen eigener Kunden abzusichern, sondern auch Risiken fremder Banken abzudecken. Das kann in kritischen Situationen neue Risiken und Abhängigkeiten schaffen und Ansteckungsgefahren über Landesgrenzen hinweg erhöhen“, betonte Freundlieb. 

Ländliche Genossenschaften

Die zu dem Verband gehörenden Ländlichen Genossenschaften behaupteten sich in einem starken Wettbewerb. Allerdings führte auch 2016 der Einfluss der Weltmärkte zu teilweise einschneidenden Rückgängen der hiesigen Erzeugerpreise. „Geopolitische Risiken, eine geschwächte Europäische Gemeinschaft, fortwährende Handelsblockaden und die zunehmende gesellschaftspolitische Diskussion über das, was und wie unsere Landwirtschaft produzieren sollte, stellt auch unsere Genossenschaften und deren Mitgliedsbetriebe vor große Aufgaben“, so Schwengels.

Die Aussichten für das gesamte Agribusiness bleiben unsicher wegen der engen Wechselwirkungen zwischen volatilen Märkten sowie globalen wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen. „Wir brauchen und fordern deshalb nach wie vor eine Agrarpolitik, die die Existenzsicherung der Ländlichen Genossenschaften im Blick hat und dabei unterstützt, Märkte wieder zu öffnen und zu erschließen“, führte Schwengels weiter aus.

Die 35 Warengenossenschaften und -gesellschaften erzielten 2016 einen Umsatz von gut 1,5 Milliarden Euro (minus 5 Prozent), rund die Hälfte davon mit Futtermitteln. Die Umschlagsmenge bewegte sich dabei mit gut 4,7 Millionen Tonnen auf dem Niveau des Vorjahres. Es wurde ein Betriebsergebnis in Höhe von 1,0 Prozent des Umsatzes erzielt. Die Eigenkapitalausstattung liegt bei über 50 Prozent und ist damit sehr gut.

Die Warengenossenschaften und -gesellschaften agieren in einem sehr herausfordernden Umfeld. Wetterkapriolen belasten in weiten Teilen Deutschlands die Getreideernte, während weltweit ein Rekordergebnis das andere jagt und auf Preise und Erlöse drückt. Reduzierte Tierbestände, zum Beispiel durch die brancheneigene Initiative Tierwohl, führen bei Futtermitteln insgesamt zu Absatzeinbußen. Im Segment Geflügelfutter geht der Absatz stellenweise durch die Vogelgrippe zusätzlich zurück. Die „Ohne-Gentechnik“-Produktion dehnt sich bei Futtermitteln kontinuierlich aus. Zudem steigen die Anforderungen an die Tierische Veredelung, siehe die Tierwohldiskussion und schärfere Umweltauflagen, und stellen die Futterwirtschaft vor neue Herausforderungen.

Dagegen konnte der Düngemittelabsatz im bisherigen Jahresverlauf und im Vergleich zum Vorjahr verbessert werden; allerdings bleibt laut Aussage des Verbandsvorstandes abzuwarten, wie sich die novellierte Düngemittelverordnung und die Ergebnisse laufender Untersuchungen zu der Pflanzenverfügbarkeit von Wirtschaftsdüngern künftig auswirken werden.

Freundlieb ergänzte, dass für die Sicherheit und Qualität von Lebens- und Futtermitteln unter anderem Pflanzenschutz unabdingbar sei. „Wir sind dafür, in der Waren- und Futterwirtschaft dort, wo Optimierungen möglich sind, diese nach wissenschaftlichen Erkenntnissen zu verfolgen; pauschale Ziele für reduzierte Mengen etwa bei Düngemitteln lehnen wir dagegen ab.“

In 2016 waren 21 Genossenschaften und Gesellschaften in der Vieherfassung und in Einzelfällen in der Fleischvermarktung tätig. Zu dieser Gruppe zählen auch drei dem Verband angehörende Herdbuchgenossenschaften sowie eine Warengenossenschaft und eine Genossenschaftsbank, die im Viehgeschäft tätig ist. 7,6 Millionen Tiere (entspricht Vorjahresniveau) wurden 2016 von diesen Unternehmen in Weser-Ems vermarktet und damit ein Umsatz von fast 1,1 Milliarde Euro (plus 6 Prozent) erzielt. Als Betriebsergebnis wurden 0,4 Prozent vom Umsatz erzielt. Die Eigenkapitalausstattung ist mit etwa 56 Prozent sehr gut.

Bei Vieh und Fleisch gab es unterschiedliche Bewegungen: Der Schweinemarkt überwand die seit Herbst 2014 andauernde, existenzgefährdende Durststrecke und lieferte erfreuliche Ergebnisse; gestützt und verstetigt wurden die besseren Preise durch anspringende Ausfuhren nach Asien, besonders China. Bei Rindfleisch kam es im Zuge der krisenhaften Entwicklungen am Milchmarkt in der ersten Jahreshälfte zu stark sinkenden Preisen, die sich allerdings im zweiten Halbjahr erholten. „Bedingt durch die Milchkrise drängten zum Jahresbeginn 2017 relativ viele Schlachtkühe auf den Markt, so dass der sonst in dieser Zeit übliche Anstieg der Schlachtkuhpreise völlig ausblieb; insgesamt werden für dieses Jahr aber wieder etwas höhere Rindfleischpreise verzeichnet“, stellte Schwengels fest.

Ein immer wieder kehrendes Thema sind Tierseuchen und Maßnahmen der Biosicherheit und Prävention, wobei hier aktuell die Afrikanische Schweinepest, die sich nach Mitteleuropa ausbreitet, das größte Bedrohungspotenzial hat; aber auch die wieder vermehrt auftretende Maul- und Klauenseuche bereitet Sorge.

„Zusammengefasst betrachtet, haben sich die Viehvermarktungsgenossenschaften und -gesellschaften in den zuletzt unruhigen Jahren als Stabilitätsfaktor in der Agrarwirtschaft bewährt und ihre Marktposition weiter ausgebaut, wobei der intensive Wettbewerb Konzentrationstendenzen voraussichtlich weiter fördern wird“, so das Fazit von Schwengels.

Die Debatte um eine gesellschaftsfähige Nutztierhaltung beschäftigt laut Freundlieb den Vieh- und Fleischsektor erheblich: „Dabei gibt es große Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Interessengruppen, wie sich die Tierische Veredelung in Deutschland weiterentwickeln kann und wie die dafür erforderlichen Investitionen finanziert werden sollen. Ziel muss es sein, die deutsche Nutztierhaltung auch im EU-Binnenmarkt und auf Drittlandmärkten wettbewerbsfähig zu halten. Diese Herausforderung hat auch das geplante staatliche Tierwohllabel zu meistern. Was wir brauchen, sind EU-einheitliche Rahmenbedingungen und keine nationalen Alleingänge.“

Dem Verband gehören zwei Molkereigenossenschaften an, die Milchprodukte produzieren, sowie zwei Liefergenossenschaften. Bei den beiden produzierenden Genossenschaften handelt sich um das größte und das fünftgrößte Milch verarbeitende Unternehmen in Deutschland. Beide sind sowohl national als auch international in der Milchverarbeitung und dem Vertrieb von Milchprodukten tätig und erzielten zusammen einen Umsatz von fast 5,7 Milliarden Euro. Dafür wurden 9,7 Milliarden Kilogramm Milch verarbeitet.

Nach dem Überangebot, dem Bestandsaufbau und den schmerzlichen Preisrückgängen in den letzten beiden Jahren zeichnet sich für 2017 eine deutlich verbesserte Marktlage ab. Die seit Ende 2016 zu beobachtende Stabilisierung wird sich voraussichtlich fortsetzen, auch weil sich die globale Nachfrage mehr und mehr erholt.

Der Höhepunkt der Milchkrise wurde im Juni 2016 erreicht, als der Erzeugerpreis für Milch im Bundesdurchschnitt nur noch 22,8 Cent je Kilogramm betrug. Mittlerweile liegt der Milchauszahlungspreis deutlich über dem Niveau von 30 Cent je Kilogramm und für die kommenden Monate wird ein weiteres Ansteigen erwartet. Trotz langsam steigender Preise ist die wirtschaftliche Situation auf den Milchviehbetrieben durch die lange Milchpreismisere nach wie vor angespannt. Gegenwärtig prüfen viele Molkereien die Absicherung der Milchpreise an der Warenterminbörse. „Hier sind wir in Weser-Ems in einer Vorreiterrolle, denn zwei unserer Mitgliedsunternehmen haben solche - für den einzelnen Landwirt jeweils unkompliziert durchzuführende - Absicherungsgeschäfte mit unserer Mitwirkung als vielversprechendes Pilotprojekt entwickelt“, gab Schwengels bekannt.

Freundlieb führte ergänzend aus, dass ein im März vom Bundeskartellamt vorgelegter Sachstandsbericht zu den Lieferbeziehungen für Rohmilch zu intensiven Diskussionen geführt hat: „Die amtlichen Änderungsvorschläge greifen massiv in die Satzungsautonomie der Genossenschaften ein und belasten den deutschen Milchmarkt stark. Die Landwirte als Eigentümer entscheiden im Rahmen des Genossenschaftsgesetzes autonom über ihre Lieferbedingungen, Kündigungsfristen und das Verfahren der Preisfestsetzung. Die genossenschaftliche Lieferbeziehung muss der unternehmensinternen Entscheidung vorbehalten bleiben, und alle Marktbeteiligten sind davon überzeugt, dass sich das Genossenschaftsmodell bewährt hat.“

Von den 69 Energiegenossenschaften in Weser-Ems, die sich zumeist auf einzelne Geschäftsfelder konzentrieren, betreiben fünf Genossenschaften eigene Windenergieanlagen, versorgen vier Genossenschaften ihre Mitglieder mit Strom und Gas, beliefern acht Genossenschaften ihre Mitglieder über eigene Netze mit Nahwärme und produzieren 41 Genossenschaften mit Photovoltaikanlagen regenerativen Strom. Weitere Genossenschaften sind in anderen Bereichen der regenerativen Energie tätig, zum Beispiel Biogas oder Energieberatung. „Bei den Energiegenossenschaften verzeichnen wir mittlerweile über 14.000 Mitglieder“, stellte Schwengels zufrieden fest.

Das Geschäftsjahr 2016 verlief uneinheitlich: Es war ein historisch schlechtes Windjahr, und so wurden auch nur gut 84 Prozent des Indexertragswertes erzielt. Die milde Witterung führte auch bei den Nahwärmegenossenschaften zu rückläufigen Absatzmengen, die aber teilweise durch höhere Preise aufgefangen werden konnten. Profitiert von der Witterung haben dagegen die Photovoltaik- und Solarparkunternehmen, die ihre guten Vorjahreswerte wieder erreichten.

Mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz 2017 hat der Gesetzgeber die Ausschreibung für Windenergieanlagen an Land eingeführt. Um die Vielfalt der Akteure zu erhalten, wurden, wie auch vom Verband gefordert, für Bürgerenergiegesellschaften erleichterte Teilnahmebedingungen aufgenommen. Als Ergebnis der ersten beiden Ausschreibungsrunden für Windenergie an Land erhielten Bürgerenergiegesellschaften, die allerdings nicht immer echte Bürgerenergiegesellschaften sind, weit über 80 Prozent der Zuschläge. Vor diesem Hintergrund wurde Ende Juni das EEG 2017 geändert: Ab 2018 müssen auch Bürgerenergiegesellschaften eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung nachweisen, um Projekte in das Verfahren einbringen zu können, und für sie gilt dann auch die reguläre Realisierungsfrist von 30 statt bisher 54 Monaten. „So hohe Zuschläge wie bei den ersten Ausschreibungsrunden 2017 sind damit wohl nicht mehr erreichbar“, betonte Schwengels. „Wir werden als Verband gemeinsam mit unserer Bundesgeschäftsstelle für Energiegenossenschaften beim Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverband diese Entwicklung sehr aufmerksam beobachten und uns auch weiterhin für den Erhalt der Bürgerenergie einsetzen.“

Neben den zuvor genannten Unternehmen zählen fast 60 weitere Genossenschaften zu dem Verband. Davon sind neun Genossenschaften aus dem weiteren landwirtschaftlichen Umfeld, drei Fischereigenossenschaften, fünf Ärztegenossenschaften sowie annähernd 40 Genossenschaften aus verschiedensten Bereichen wie Soziales und Kultur.

Für die zwei dem Verband angehörenden großen Obst-, Gemüse- und Blumenvermarktungsgenossenschaften war die geschäftliche Entwicklung 2016 insgesamt zufriedenstellend. In der Obst- und Gemüsevermarktung konnten die Umschlagsmengen leicht ausgeweitet und – bei einer insgesamt zufrieden stellenden Entwicklung der Marktpreise – auch die Umsatzerlöse gesteigert werden, wobei in einzelnen Produktgruppen durchaus unterschiedliche Entwicklungen hinzunehmen waren. In der Blumen- und Pflanzenvermarktung waren weiter Mengen- und Umsatzeinbußen aufgrund rückläufiger Nachfrage hinzunehmen.

Zu den nicht genossenschaftlichen Mitgliedern zählen 38 Gesellschaften, insbesondere mit Waren- und Dienstleistungsumsätzen, darunter zehn Immobiliengesellschaften, acht Betreibergesellschaften im genossenschaftlichen Warengeschäft, neun Windparkgesellschaften und zwei Pferdezuchtgesellschaften.

Unternehmensform Genossenschaft

Am 30. März 2018 jährt sich der Geburtstag von Friedrich Wilhelm Raiffeisen zum 200. Mal. Das Jubiläum fällt in eine Zeit, die auch die Genossenschaften bewegt und in der sie sich als nachhaltig erfolgreiche Wirtschaftskraft zum Handeln veranlasst sehen. Hierzu Freundlieb: „Wir Genossenschaften sind stolz auf unsere Geschichte und wir freuen uns darüber, dass die UNESCO Ende November vergangenen Jahres die genossenschaftliche Idee in die Repräsentative Liste des Immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen hat. Den damit verbundenen gesellschaftspolitischen Auftrag nehmen wir gerne an. Die Entscheidung der UNESCO stärkt die Genossenschaftsidee. Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung sind ebenso wie Solidarität und Achtung vor der Würde des anderen jene Werte, die das Genossenschaftswesen prägen. Wir wollen dazu beitragen, den sozialen Frieden und den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zu stärken, zu bewahren und auch zu erneuern. Deshalb wollen wir noch mehr Menschen für die Idee des gemeinschaftlichen Wirtschaftens mit ihrem großen gesellschaftlichen Nutzen gewinnen.“