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"Hier gehört Engagement einfach dazu"

veröffentlicht im Genossenschafts-Magazin Weser-Ems, Ausgabe 11/2014

100 Jahre Bürgerstiftungen weltweit – ein Erfolgsmodell auch in Weser-Ems, zum Beispiel in Vechta.

Ein Bankier und Rechtsanwalt hatte vor 100 Jahren eine brillante Idee: Frederick Goff gründete die weltweit erste Bürgerstiftung in Cleveland in den USA. Die Idee einer Stiftung von Bürgern für Bürger hat sich mittlerweile rasant verbreitet. Deutschland ist nach den USA das Land mit den meisten Bürgerstiftungen. Bundesweit gibt es 378 Bürgerstiftungen, 54 davon in Niedersachsen, in denen Stifter, Spender oder Ehrenamtliche aktiv sind. Sie engagieren sich mit Geld, Zeit oder Ideen: Für die Stadt oder Region, in der sie leben. Für Bildung und gute Nachbarschaften, für Kultur und Umwelt.

Ein Beispiel gibt die Bürgerstiftung Vechta. Ihr Motto „Menschen verbinden. Zukunft fördern“ ist Programm: Als die Bürgerstiftung von Bürgern, Unternehmen und der Volksbank Vechta eG gegründet wurde, standen zwei Gedanken im Vordergrund: „Zum einen wollen wir selbst dazu beitragen, dass der wirtschaftliche Erfolg unserer Region im Interesse ihrer Unternehmen, ihrer Kommunen und vor allem der Menschen, die hier zu Hause sind, anhält, und uns nicht nur auf kommunale oder staatliche Organe verlassen,“ sagt Josef Kleier, Geschäftsführer der Bürgerstiftung. „Zum anderen wollen wir das Engagement der vielen Vechtaer im ehrenamtlichen Bereich deutlicher und wirksamer stärken und stützen.“

Sieben Jahre später ist die Bürgerstiftung aus der knapp 35.000 Einwohner zählenden Kreisstadt nicht mehr wegzudenken. „Inzwischen beträgt unser Stiftungskapital 1,5 Millionen Euro. Mit den Zinserträgen und mit Spenden können wir sehr schöne Projekte machen, beispielsweise vergeben wir den Preis ‚Du hast es drauf‘ für Jugendliche, die etwas Besonderes leisten. Oder wir unterstützen die Musikschule oder den Heimatverein“, sagt Bernard Suding. Der 65-Jährige ist von Anfang an bei der Bürgerstiftung ehrenamtlich engagiert, heute im Stiftungsrat.

Die Verantwortlichen der Bürgerstiftung haben erkannt, dass ihr Erfolg wesentlich davon abhängt, wie es ihnen gelingt, viele Menschen am Ort zum Spenden und Stiften zu bewegen. In Vechta sind die Bürgerstifter deshalb Meister im Feiern für den guten Zweck. „Hier gehört Engagement einfach dazu. Und Spaß natürlich auch!“, so Suding. Er ist der Ideengeber für die „Bürgerparty“. Bei der ersten Party vor drei Jahren kamen 500 Gäste und spendeten an einem einzigen Abend 65.000 Euro an die Bürgerstiftung. Für diesen erfolgreichen Fundraising-Event nahm die Bürgerstiftung den Förderpreis Aktive Bürgerschaft 2011 in Berlin entgegen – und den Ansporn, ihr Fundraising fortzusetzen. Bei der zweiten „Bürgerparty“ feierten 700 Gäste, wieder wurden über 60.000 Euro gespendet. Eine Besucherin sagte der Oldenburgischen Volkszeitung: „Die Mischung aus Jung und Alt war perfekt. Das Programm fand ich gut. Auch für die Zukunft finde ich es sinnvoll, die Projekte der Bürgerstiftung zu unterstützen.“ Heinrich Wolking, seit 2013 Vorsitzender der Stiftung, war vom spektakulären Erfolg der Veranstaltung begeistert. Wolking sieht die Stiftung wie seinen mittelständischen Handwerksbetrieb als Familienunternehmen.

„Erfolg stellt sich nur ein, wenn alle an einem Strang ziehen“

Vom Taschengeld bis zum Millionenerbe – wenn Menschen in ihrer Stadt oder Region etwas bewegen wollen, wählen sie Bürgerstiftungen als Partner. Denn Bürgerstiftungen bündeln Geld und Bürgerengagement vor Ort und behaupten sich auch in Niedrigzinszeiten. Die Fakten des Länderspiegels Bürgerstiftungen 2014 der Aktiven Bürgerschaft sprechen für sich: Im vergangenen Jahr spendeten und stifteten die Menschen mehr denn je an lokale Bürgerstiftungen. Das Stiftungskapital wuchs auf insgesamt 271 Millionen Euro. 33 Millionen Euro vertrauten Stifter den Bürgerstiftungen im Jahr 2013 an Zustiftungen an, das ist ein Zuwachs um 13,8 Prozent gegenüber dem Jahr 2012. Wachstumsmotor sind die 60 Bürgerstiftungen, die über ein Kapital von mehr als einer Million Euro verfügen. Eine von ihnen ist die Bürgerstiftung Vechta.

Nach den Motiven seines Engagements gefragt, antwortet Bernhard Suding: „Spätestens, wenn man sich alles selber kaufen kann, ist es Zeit, der Gemeinschaft etwas zurückzugeben, finde ich. Glücklicherweise stehe ich mit dieser Meinung in Vechta nicht allein da. An meinem 60. Geburtstag habe ich zum ersten Mal alle Gäste gebeten, statt Geschenken lieber Geld zu spenden. Das habe ich aufgestockt, und so sind für die Bürgerstiftung 10.000 Euro zusammengekommen. Als einmalige Aktion war das schon gut, noch besser, dass ich unter den anderen Stiftern Nachahmer gefunden habe.“

Drei Fragen an Ludger Ellert, Vorstandssprecher der Volksbank Vechta eG und Mitglied im Stiftungsrat der Bürgerstiftung Vechta

Warum engagiert sich Ihre Volksbank für die Bürgerstiftung?

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Bank sind, so wie unsere Mitglieder und Kunden, stark in der hiesigen Region verwurzelt. Daher liegt es uns am Herzen, Projekte, die die Lebensqualität vor Ort verbessern, zu unterstützen. Besonders wichtig ist uns, dass die Bürgerstiftung von den Bürgerinnen und Bürgern selbst getragen wird – und jeder Vechtaer die Möglichkeit hat, sich einzubringen. Dieses Engagement muss man einfach unterstützen, deshalb waren wir als Gründungsmitglied von Anfang an aktiv dabei.

Neben der Förderung von Projekten, die wir mit der Vergabe von Reinerträgen des VR-Gewinnsparens und durch Stiftungsmittel unserer genossenschaftlichen VR-Stiftung sowie eigenen Mitteln der Bank realisieren, ist die Unterstützung der Bürgerstiftung ein weiterer wesentlicher Punkt unseres kulturellen und sozialen Engagements in Vechta.

Was hat die Volksbank von diesem Engagement?

Zum einen sehen wir es als Verpflichtung an, der wir gerne nachkommen. Zum anderen zeigen wir Flagge im Stiftungsbereich mit diesem modernen Konzept. Wir engagieren uns nachhaltig und langfristig und mit genossenschaftlicher Handschrift. Und wir zeigen, dass wir auch „Stiftung“ können. Wir informieren unsere Kunden gerne über die Möglichkeit, sich bei der Bürgerstiftung einzubringen. Andererseits haben wir auch schon Kunden bei der Gründung von Stiftungen beraten. Mittlerweile wurden mehrere Stiftungen gegründet, deren Mittel wir verwalten.

Was bewirkt die Bürgerstiftung in der Region?

Je mehr die Bürger sich für ihre Bürgerstiftung engagieren, desto mehr kann die Bürgerstiftung leisten. Ich denke da an die letzte Bürgerparty, auf der mehr als 60.000 Euro für die Bürgerstiftung gespendet wurden. Demzufolge konnte die Bürgerstiftung auch schon viele wirklich tolle Projekte umsetzen.

Hierzu zählt auch das Medienprojekt „Zukunft“ an der Overberg-Grundschule. Da wurden 13 Klassenräume mit Deckenbeamersystemen und Audioanlagen ausgestattet, damit die Schule den Kindern Bildung zeitgemäß und attraktiv vermitteln kann.

Nachhaltig auf die Zukunft ausgelegt ist auch das aktuelle Projekt. Die Bürgerstiftung Vechta plant gemeinsam mit der Stiftung der Volksbank Vechta eG die Umsetzung des Schülerprojektes „Service Learning: sozialgenial – Schüler engagieren sich“, das seitens der Aktiven Bürgerschaft konzipiert wurde.

Vielen Dank für das Gespräch.