Das Verbraucherrecht und seine nicht immer nützlichen Auswirkungen
veröffentlicht im Genossenschafts-Magazin Weser-Ems, Ausgabe 06/2016
Ist es gerecht, wenn sich Darlehensnehmer auch Jahre nach Abschluss des Darlehensvertrages mit fester Laufzeit von diesem lossagen können, obwohl sie ursprünglich den Darlehensvertrag innerhalb der gesetzlich geregelten Zwei-Wochen-Frist nicht widerrufen wollten und inzwischen das finanzierte Objekt erworben haben und seit langem nutzen? Diese ungewöhnliche Aussage und Fragestellung zeigt die neuere Tendenz zum Verbraucherschutz im Gesetz und in der Rechtsprechung auf und bewog Rechtsanwalt Jochen Röben, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht und Leiter der Rechtsabteilung unseres Verbandes, diesen kommentierten Fachbeitrag zu verfassen.
Das Wort Gerechtigkeit wird immer mehr durch das Wort Verbraucherschutz ersetzt oder jedenfalls im Lichte des Verbraucherschutzes ausgelegt. Verbraucherschutz ist damit immer auch gerecht, was sich im Ergebnis in vielen Gesetzen und Urteilen widerspiegelt. Deshalb müssen sich auch Banken in ihrem Handeln anpassen und neue Leitlinien beachten. Überspitzt formuliert und sicherlich in keinem Wörterbuch so nachlesbar, heißt Compliance jetzt, sich im Rahmen der geltenden Regeln zu verhalten und dabei immer auf den Verbraucherschutz zu achten.
Der „informierte“ Verbraucher
Das Verbraucherrecht ist insbesondere im Finanzdienstleistungssektor im Wesentlichen ein Informationsrecht. Der Verbraucher soll über alle wichtigen (und unwichtigen) Einzelheiten des beabsichtigten Vertrages vor Abschluss informiert werden, um dann eine informierte und damit eine verantwortliche Entscheidung zu treffen. Dagegen ist zunächst nichts zu sagen, denn ein informierter Vertragspartner ist selbstverständlich auch im Interesse der Banken. Allerdings ist die erforderliche Informationenflut so ausgeufert, dass kein Verbraucher in der Lage ist, vor Vertragsschluss alle Informationen zu lesen und auch zu verstehen. Deshalb hören die Banken in den Beratungsgesprächen auch immer wieder den Satz: „Das ist mir egal, wo muss ich unterschreiben“.
Vorvertragliche Informationen müssen im Zahlungsverkehr, bei Geldanlagen und im Kreditgeschäft und z. T. sogar bei Sicherheitenbestellungen herausgegeben werden. Will also der Neukunde in einem Gespräch ein Girokonto eröffnen, ein Wertpapiergeschäft tätigen und einen Kredit aufnehmen, bekommt er gleich einen ganzen Stapel Unterlagen, deren Studium Tage in Anspruch nimmt.
Macht die Bank bei dieser Erfüllung der Informationspflichten etwas falsch, so kann das fatale Folgen haben.
Ob diese Folgen auch für die Vielzahl der Fälle so vom Gesetzgeber gewollt oder ihm zumindest bekannt waren und sind, ist unwahrscheinlich.
Dennoch helfen auch die Gerichte zum Beispiel mit Kausalitätserwägungen nicht, weil auch die Gerichte sich oft auf die einfache Lösung des formalen Fehlers zurückziehen.
Entwicklung des Verbraucherrechts bei Darlehnsverträgen
Das Verbraucherrecht hat insbesondere unter Berücksichtigung des EU-Rechts in den vergangenen 25 Jahren insbesondere im Recht der Finanzdienstleistungen erhebliche Änderungen erfahren.
Bis 1991 konnten Darlehensverträge auch mit Verbrauchern mündlich abgeschlossen werden und Informationsrechte für Verbraucher gab es nur wenige. 1991 ist das Verbraucherkreditgesetz eingeführt worden, wobei ein gesetzgeberisches Ziel gewesen ist, dem Verbraucher Informationen zu erteilen, die ihn zumindest dazu bewegen sollten, darüber nachzudenken, ob er wirklich eine entsprechende Schuld einzugehen bereit ist. Ferner sollte eine Vergleichbarkeit der Angebote erreicht werden. Beispielsweise wurde die Angabepflicht des Gesamtbetrages eingeführt, der in bestimmte Verbraucherdarlehensverträge eingearbeitet werden musste, so dass dem Verbraucher damit aufgezeigt wurde, welchen Betrag er insgesamt aufwenden muss, um seinen „vorzeitigen Konsumwunsch“ zu realisieren.
Ob die Angabe des Gesamtbetrages tatsächlich einzelne Verbraucher davor abgeschreckt hat, dieses Darlehen letztlich in Anspruch zu nehmen, bleibt offen.
Ferner wurde 1991 erstmalig im Rahmen eines Verbraucherkreditvertrages die Möglichkeit eingeräumt, binnen einer Frist von einer Woche nach Abschluss des Vertrages den betreffenden Darlehensvertrag ohne Angabe von Gründen zu widerrufen. Eine verschwindend geringe Anzahl von Verbrauchern hat von diesem Recht Gebrauch gemacht.
Die Widerrufsbelehrung, die mit der Einführung des Widerrufsrechtes ab 1991 erforderlich wurde, hatte zu dem damaligen Zeitpunkt noch einen einfachen und kurzen Text, der selten zu irgendwelchen Missverständnissen geführt hat.
Im Laufe der Zeit wurde die Notwendigkeit der Aufklärung der Verbraucher über vertragliche Inhalte immer mehr ausgeweitet. Weitere Gesetzesänderungen bzw. Einführungen von neuen Gesetzen haben dazu geführt, dass auch das Verbraucherkreditgesetz überarbeitet werden musste, um den steigenden Anforderungen an den Verbraucherschutz zu genügen. Beispielsweise ist zwischenzeitlich das Fernabsatzgesetz eingeführt worden.
In 2002 wurde mit Einführung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes eine komplette Reform des Darlehensrechts vorgenommen und das Verbraucherkreditgesetz aufgehoben. Die Vorschriften daraus wurden überarbeitet in das BGB übernommen. Hierbei wurde auch unter anderem das Widerrufsrecht bezogen auf Verbraucherdarlehensverträge neu geregelt und insofern auf die „Generalnorm“ für Widerrufsrechte in § 355 BGB verwiesen.
In § 355 Abs. 2 BGB sind die Erfordernisse an die Wirksamkeit einer Widerrufsbelehrung aufgeführt. Im August 2002 wurde dann die BGB-Informationspflichtenverordnung in § 14 geändert, in der der Verordnungsgeber sich in der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-Info-VO darin versucht hat, eine Widerrufsbelehrung zu gestalten.
Zudem musste der vorgegebene Text der Widerrufsbelehrung unter Berücksichtigung von diversen Gestaltungshinweisen an den Einzelfall angepasst werden.
Bereits zu diesem Zeitpunkt wurden Stimmen auch von BGH-Richtern laut, die die Auffassung dazu mitgeteilt haben, dass auch die Muster-Widerrufsbelehrung aus der Anlage zur BGB-Info-VO den Anforderungen aus § 355 BGB nicht entspricht und damit keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung unter Nutzung der Muster-Widerrufsbelehrung erteilt worden sein könnte.
Sämtliche Bankengruppen haben sich dann dieser Problematik angenommen und versucht, hier bessere Formulierungen zu erreichen.
Zu problematisieren war nämlich, dass es sich bei der BGB-Info-VO um eine Verordnung handelt. Bei dem die Anforderungen stellenden § 355 BGB handelte es sich hingegen um ein Gesetz. Insofern konnten sich die Anwender nicht sicher sein, die Anforderungen aus dem Gesetz erfüllt zu haben, wenn die Musterwiderrufsbelehrung aus der Verordnung übernommen wird.
Auch aus diesen Gründen sind dann nachfolgend seitens vieler Bankengruppen Überarbeitungen der Widerrufsbelehrungen durchgeführt worden, die im Ergebnis auch dafür sorgen sollten, dass die der Muster-Widerrufsbelehrung innewohnende Intransparenz verbessert werden sollte.
Die Quittung dafür haben die Banken dann durch eine Entscheidung des BGH aus 2012 erhalten, in der dieser zwar festgestellt hat, dass auch die Muster-Widerrufsbelehrung den Anforderungen nicht entspricht, er hat allerdings auch festgestellt, dass bei Verwenden der Muster-Widerrufsbelehrung ein Vertrauensschutz bestand. Insofern stand damit fest, dass die Banken für die vergangenen 8 Jahre (2002 bis 2010 (Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie und damit Änderungen im Bereich der Verbraucherdarlehensverträge)) in vielen Verbraucherdarlehensverträgen eine Widerrufsbelehrung verwandt haben, die nicht der Musterwiderrufsbelehrung entspricht.
Da sich diese Banken auf diesen Vertrauensschutz aufgrund der Überarbeitung der Widerrufsbelehrungen nicht berufen können, gibt es nunmehr eine Vielzahl von Widerrufen von Verbraucherdarlehnsverträgen. Diese Widerrufe werden allerdings nicht aufgrund des ursprünglichen gesetzgeberischen Willens (Überdenken einer wichtigen Entscheidung im Hinblick auf eine langfristige vertragliche Bindung und Verschuldung) vorgenommen, sondern nur deshalb, weil das derzeitige Zinsniveau im Ergebnis dazu führt, dass auch langfristige Kreditverträge für den Verbraucher nunmehr günstiger abgeschlossen werden. Der Schaden, der dadurch bei den betreffenden Banken entsteht, ist immens.
Zu problematisieren ist hier auch, dass der eigentliche Sinn und Zweck des Verbraucherschutzes, den Verbraucher informiert eine Entscheidung treffen zu lassen, hier konterkariert wird, weil der Verbraucher sein Recht nicht wahrnimmt, weil er vorher nicht ordnungsgemäß informiert wurde, sondern ausschließlich deshalb, um einen wirtschaftlichen Vorteil zu erlangen. Die Bezeichnung in der Presse als „Widerrufsjoker“ spricht insofern Bände und weist eindeutig auf die Motivationslage hin. Auch die Werbemaßnahmen diverser Anwaltskanzleien zeigen, dass der gesetzgeberische Grund für die Einführung des Widerrufsrechts hier in keinem der Fälle vorliegt, sondern dass das Widerrufsrecht hier nur als Vehikel dient. Mit dem Grundsatz, dass Verträge geschlossen werden, um eingehalten zu werden, hat das nichts mehr zu tun.
Es steht zu befürchten, dass auch nach Abklingen dieser Widerrufsfälle weiterhin eine Vielzahl von Fällen der Verletzung von Informationspflichten auch von den Gerichten zu behandeln sind, weil die sich immer weiter entwickelnden Verbraucherrechte dazu führen, dass die sich bei den Unternehmen ergebenden Pflichten letztendlich kaum noch im Tagesgeschäft korrekt umgesetzt werden können und zu bewältigen sind.
Verbraucherrechterichtlinie
In 2010 wurde die Verbraucherkreditrichtlinie umgesetzt, in 2014 die Verbraucherrechterichtlinie. Beide Richtlinien haben wiederum dazu geführt, dass weitere Informationsverpflichtungen insbesondere auf die Finanzdienstleistungsbranche zugekommen sind, die dem Verbraucher auch zwingend Informationen erteilen, die nur sehr selten nachgefragt werden.
Ferner ist die Gesetzessystematik durch entsprechende Verweise mittlerweile derart unüberschaubar, dass es auch Juristen schwerfällt, die gesetzliche Grundlage für die Pflicht zur Erfüllung gewisser Informationspflichten herauszufinden. Insbesondere eine Anwendung im Massengeschäft ist äußerst schwierig und fehleranfällig.
Die BGB-Info-VO ist mittlerweile abgeschafft, stattdessen sind die Informationspflichten nunmehr im EGBGB geregelt. In Art. 246 EGBGB sind die Informationspflichten für den Verbrauchervertrag geregelt, diese bestehen im Wesentlichen aus acht Informationspflichten und entsprechenden Ergänzungen, die wiederum die Erfüllung bestimmter Bedingungen voraussetzen.
In Art. 246 a EGBGB sind seit Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie im Juni 2014 die Informationspflichten bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und Fernabsatzverträgen mit Ausnahme von Verträgen über Finanzdienstleistungen geregelt, hier sind zunächst 16 Informationspflichten enthalten, die allerdings auch wiederum weiteren Besonderheiten ausgesetzt sein können.
Es stellte sich bei Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie die Frage, inwieweit Banken hiervon betroffen sind, weil diese vornehmlich Finanzdienstleistungen erbringen.
Aufgrund der Formulierungen im Gesetz und aufgrund einer Risikoanalyse mussten sich die Banken dazu entschließen, die Kreditsicherungsverträge als Verbraucherverträge im Sinne des Art. 246 EGBGB zu verstehen. Im Wesentlichen geht es zwar bei diesen Verbraucherverträgen um Verträge zwischen Unternehmern und einem Verbraucher, die die Lieferung einer Ware oder die Gewährung einer Dienstleistung außerhalb des Finanzdienstleistungssektors zum Gegenstand haben. Dennoch könnte es sich bei der Gewährung einer Sicherheit durch einen Verbraucher um einen Verbrauchervertrag handeln, weil seitens der Rechtsprechung zum Haustürwiderrufsgesetz jedenfalls eine Bürgschaft bereits als ein solcher Vertrag angesehen wurde.
Da aber die Verbraucherrechterichtlinie nicht dazu führen durfte, dass der Schutz des Verbrauchers durch diese Vorschriften gegenüber der Vergangenheit eingeschränkt werden durfte, steht nach der Gesetzesbegründung fest, dass auch derartige Sicherungsverträge Verbraucherverträge im Sinne des Art. 246 EGBGB sind oder jedenfalls so behandelt werden müssen.
Aus diesen Gründen musste die Kreditwirtschaft für sämtliche Sicherungsverträge vorvertragliche Informationen entwerfen, die Verbrauchern bei Fernabsatz oder bei Außergeschäftsraumverträgen vor Vertragsabschluss zu erteilen sind. Eigentlich beinhalten aber Sicherungsverträge Leistungen der Kunden an die Bank und nicht umgekehrt, so dass sich hier eine Anwendbarkeit nicht gerade aufdrängt, doch war auch hier zu befürchten, dass eine Entscheidung zur Nichtanwendbarkeit ein zu hohes Risiko beinhaltet, so dass seitens der Banken die Entscheidung zu treffen war, die Pflichten daraus besser zu erfüllen.
Berücksichtigt man nun, dass in Art. 246 Abs. 1 Ziffer 1 EGBGB verlangt wird, dass die wesentlichen Eigenschaften der Waren- oder Dienstleistungen in den vorvertraglichen Informationen beschrieben werden müssen, so steht fest, dass beispielsweise bei der Erstellung der vorvertraglichen Informationen zur Grundschuldzweckerklärung der rechtliche Sinn und Zweck und die Inhalte einer Grundschuldbestellung und der Verknüpfung mit dem Darlehensvertrag dargestellt werden muss.
Hierbei sind selbstverständlich auch entsprechende Varianten und Bestandteile z. B. im Hinblick auf eine persönliche Zwangsvollstreckungsunterwerfungsklausel, der Duldung der Zwangsvollstreckung und der Rückgewährsansprüche enthalten, wobei festzuhalten ist, dass auch Jurastudenten im 5. oder 6. Semester solche Erklärungen schwerfallen. Hieran wird deutlich, dass der Kunde dadurch überinformiert wird, jedenfalls im Rahmen der vorvertraglichen Informationen.
Verbraucherkreditverträge
Aber auch im Rahmen der Verbraucherkreditverträge ist eine ordnungsgemäße vertragliche Gestaltung in vielen Fällen so schwierig geworden, dass die Wahrscheinlichkeit, dass hier entsprechende Fehler gemacht wurden und werden, sehr groß ist.
So gilt für die Informationspflichten bei Verbraucherdarlehensverträgen Art. 247 EGBGB, der in § 3 zunächst 16 verschiedene Informationspflichten gesetzlich festlegt. Aus den §§ 4 ff. ergeben sich noch weitere Angaben für die vorvertraglichen Informationen, die jeweils auf ein spezifisches Vertragsverhältnis bezogen sind.
In den Anlagen zu den verschiedenen Artikeln des EGBGB finden sich mehrere Muster-Widerrufsbelehrungen für unterschiedliche Fälle. Schon hier die richtige Belehrung herauszufinden ist eine Hürde, die es zu überwinden gilt.
Seit 2010 ist zwar bei Verbraucherdarlehensverträgen eine Muster-Widerrufsbelehrung nicht mehr erforderlich, dennoch muss ein Verbraucherdarlehensvertrag allerdings eine Widerrufsinformation enthalten. Für diese Widerrufsinformation gibt es in der Anlage 7 zu EGBGB 247 § 6 und § 12 ein „Muster für eine Widerrufsinformation für Verbraucherdarlehensverträge“. Diese Widerrufsinformation enthält wiederum Gestaltungshinweise, die für verschiedene Varianten einzufügen sind. Diese Gestaltungshinweise für verschiedene Varianten machen in der Gesetzessammlung Schönfelder vier Seiten aus, wobei diese Seiten äußerst klein beschrieben sind.
Trotz oder gerade wegen dieser Gestaltungshinweise, die Erläuterungen geben und Fragen beantworten sollen, haben sich diverse Fragen entwickelt, die letztendlich mit dem Gesetzestext und mit den Inhalten der Muster-Widerrufsbelehrungen nicht rechtssicher zu klären sind. Diese Umstände und die Klärung dieser Fragen der Rechtsprechung zu überlassen ist zu einfach und geht in fast allen Fällen zu Lasten der Bank aus.
Dennoch wird seitens der zuständigen Ministerien immer häufiger als Lösung auf Auslegungsfragen gesagt, dass das die Rechtsprechung klären könne. Die jüngeren Gesetze weisen viele unbestimmte Rechtsbegriffe auf und ein Festlegen auf klare Formulierungen wird seltener. Vielleicht liegt es daran, dass es dann problematisch ist, die Vielzahl der Fälle zu erfassen. Dass man damit häufig über das Ziel hinaus schießt, wird auf Kosten der Betroffenen in Kauf genommen.
Es kann auch im Einzelfall nicht richtig sein, dass das richtige Ausfüllen von Standardverträgen selbst von Volljuristen nicht ohne weiteres gewährleistet werden kann, weil die Gesetzeslage schlicht zu ungeklärt und ggf. auch zu kompliziert ist – und das ohne wesentlichen Nutzen für den Verbraucher.
Ein Beispiel dafür sind die Regelungen für die sogenannten zusammenhängenden und/oder verbundenen Geschäfte.
Zusammenhängende und/oder verbundene Geschäfte
Der verbundene Vertrag ist in § 358 BGB geregelt. Es handelt sich um einen verbunden Vertrag, wenn das Darlehen ganz oder teilweise der Finanzierung des anderen Vertrages dient und beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden. Den verbundenen Vertrag als solchen gibt es bereits seit langem. Insofern hat sich auch die ursprüngliche und vom Gesetzgeber vorgesehene Auslegung durchgesetzt, dass ein verbundener Vertrag dann anzunehmen ist, wenn eine Zusammenarbeit zwischen dem Händler und der das Objekt des Verkaufs finanzierenden Bank vorliegt.
Nachdem es zwischenzeitlich besondere Informationspflichten bei einem sogenannten angegebenen Geschäft und bei einem hinzugefügten Geschäft gegeben hat, wird nunmehr zwischen einem zusammenhängenden Geschäft in der Form des in Bezug genommenen Geschäfts und dem zusammenhängenden Geschäft in der Form des angegebenen Geschäfts differenziert.
Der zusammenhängende Vertrag wird in § 360 Abs. 2 BGB definiert. Hier muss also jeder Bankmitarbeiter, der Kreditberatungen mit Verbrauchern vornimmt, im Hinblick auf den Finanzierungswunsch des Verbrauchers sich die Frage stellen, ob es sich dabei um ein verbundenes Geschäft, um ein zusammenhängendes Geschäft in der Form eines in Bezug genommenen Geschäfts oder ob es um ein zusammenhängendes Geschäft in der Form des angegebenen Geschäfts handelt. Nach dem Ergebnis dieser Prüfung richtet sich der Inhalt der vorvertraglichen Information aber auch gewisse Gestaltungshinweise aus Ziffer 6 und 7 des Musters für Widerrufsbelehrungen bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen über Finanzdienstleistungen (z.B. Sicherungsverträge) und die Gestaltungshinweise 6, 6 a, 6 b, 6 c des Musters für eine Widerrufsinformation für Verbraucherdarlehensverträge.
Eine rechtssichere Darstellung dieser Vorgaben ist in vielen Fällen zumindest problematisch. Das damit zusammenhängende Risiko und der bei den Banken entstehende Mehraufwand sind immens. Da der BGH in 2014 festgestellt hat, dass die Berechnung einer Bearbeitungsgebühr bei Darlehensverträgen unzulässig ist, werden sich diese Zusatzkosten auf den Zins auswirken müssen. Diese Unsicherheiten würden ggf. sogar noch in Kauf genommen werden, wenn diese Umstände letztendlich im Rahmen der Information an den Verbraucher bei Vertragsschluss einen entscheidenden Nutzen versprechen würden.
Wohnimmobilienrichtlinie
Die Krönung zu dieser Gesamtproblematik stellt nunmehr die zu Mitte März 2016 in Kraft getretene Wohnimmobilienrichtlinie dar. Das Umsetzungsgesetz dazu soll den Verbraucher vor Überschuldung schützen, mithin in erster Linie vor sich selber.
Neben völlig überzogenen Informationspflichten hat hiernach eine Kreditwürdigkeitsprüfung stattzufinden, die die ursprüngliche Bonitätsprüfung der Banken im eigenen Interesse aus § 18 KWG in den Schatten stellt. Nunmehr muss eine Bank eine Kreditwürdigkeitsprüfung vor Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrages vornehmen, die im Ergebnis dazu führt, dass viele Finanzierungen abgelehnt werden müssen, obwohl die Kunden früher das Darlehen bekommen und meistens auch unproblematisch bedient hätten.
Eine Kreditvergabe darf nur bei „positivem" Ergebnis erfolgen, was bedeutet, dass bei einem Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag keine „erheblichen Zweifel“ an der Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen bestehen dürfen. Bei einem Immobiliar-Darlehensvertrag muss sogar positiv festgestellt werden, dass die Rückzahlung „wahrscheinlich“ ist. Hierbei darf die Sicherheit selber – das zu erwerbende Haus - nicht berücksichtigt werden, sondern nur die Einkünfte dürfen herangezogen werden.
Erzwungene „Kreditklemme“ qua Richtlinie
Der baldige Rentner oder der bereits in Rente gegangene Kunde wird also in der Zukunft Schwierigkeiten bekommen, wenn er sein Haus barrierefrei umbauen will und seine Rente nicht dauerhaft ausreicht, die Zins- und Tilgungsleistungen zu bedienen. Es muss auch die Frage gestellt werden, ob er überhaupt aufgrund seiner Lebenserwartung das Darlehen noch zurückzahlen kann. Diese Probleme bestehen, obwohl das Sicherungsobjekt ggf. sogar unbelastet ist und im Wert in jedem Fall ausreicht, die Bank abzusichern.
Hier wird den Banken die zu erwartende Kreditklemme im privaten Bereich und besonders im Wohnungsbau vorgeworfen werden, obwohl gerade Volks- und Raiffeisenbanken und auch die Sparkassen ihre Kunden kennen und in den meisten Fällen mit der Einschätzung richtig liegen, ob der Kunde den Kredit zurückzahlen kann oder nicht. Diese Banken und Sparkassen hätten den Kredit vergeben, seit März 2016 kommt es hierauf aber nicht mehr an – im vermeintlichen Interesse der Kunden werden diese diesen Kredit eben nicht mehr bekommen. Diese Kreditklemme liegt damit nicht an den Kreditinstituten.
Zahlungskontengesetz
Im Juni 2016 tritt das Zahlungskontengesetz in Kraft, mit dem das Recht auf ein Girokonto gesetzlich verbrieft wird. Ob ein solches Gesetz nötig ist, mag jeder für sich selber entscheiden. Aber warum wird im Gesetz ein Umzugsservice als Verpflichtung mitgeregelt, obwohl das eine Zusatzleistung der Bank ist, die mit dem Recht auf ein Girokonto direkt nichts zu tun hat? Warum kann das nicht dem Markt überlassen bleiben, einen solchen Service anzubieten oder auch nicht?
Fazit
Der Markt entscheidet nicht mehr uneingeschränkt, wenn das Verbraucherrecht betroffen ist. Die vollständige Erfüllung der Informationspflichten führt beim Verbraucher nur zu Unverständnis und Kopfschütteln. Selbstverständlich muss der Kunde über die wesentlichen Vertragsbestandteile informiert werden. Das erfolgte aber bereits früher mit Einführung des Verbraucherkreditgesetzes. Ob der Kunde seine Kreditentscheidung davon abhängig macht, ob die Bank ihm z. B. vor Vertragsschluss mitgeteilt hat, welche Aufsichtsbehörde für sie zuständig ist, ist zweifelhaft. Werden dem Kunden diese Umstände erläutert, reagiert dieser nur mit Unverständnis und mit dem Hinweis, dass ihm das egal ist, weil er den Kredit erhalten möchte.
Werden dabei aber Fehler gemacht, kann sich der Verbraucher darauf berufen, obwohl der Fehler für seine Entscheidung nie kausal war. Ob das noch gerecht ist, ist zweifelhaft.
Im Ergebnis kann man diese ganzen Regularien damit auf einen Nenner bringen:
Weniger ist mehr!