„Darf ich mal um´s Wort bitten?“
veröffentlicht im Genossenschafts-Magazin Weser-Ems, Ausgabe 06/2018
Sich souverän präsentieren – der Autopilot für Ihren nächsten Vortrag. Ein Gastbeitrag von Arne Oltrogge.
Bei geschäftlichen und auch gesellschaftlichen Anlässen wird man vermutlich irgendwann nicht darum herumkommen, eine Rede oder einen Vortrag zu halten. Für einen Teil eine tolle Gelegenheit, sich zu positionieren, für den anderen Teil ein rotes Tuch. Im Folgenden beschreibt Arne Oltrogge, Kommunikations- und Vermarktungsexperte, wie Sie die Herausforderung „freie Rede“ ohne erhöhten Puls souverän meistern können.
Reden und Vorträge fallen erheblich leichter, wenn man das Handwerkszeug dazu einmal vernünftig erlernt und geprobt hat. Ziel ist es, einen eigenen Stil herauszuarbeiten, der im Idealfall jederzeit abgerufen werden kann. Denn auch die Sprache und das Auftreten sind Bestandteile der Corporate Identity eines jeden.
Sei ganz Du selbst. Alles andere kommt sowieso raus.
Das Zauberwort lautet Authentizität. Sie haben einen Akzent? Sie fuchteln gern mit Ihren Händen rum? Nicht schlimm! Machen Sie es zu Ihrem Markenzeichen und spielen Sie damit. Lassen Sie sich nicht von irgendwelchen Trainern verbiegen, damit Sie sich am Ende des Tages nicht mehr wie sich selbst fühlen. Es ist amüsant zu sehen, wie manche Redner ihre Hände in die Hosentasche stecken, um diese nach dem ersten Drittel wieder hektisch hochzuziehen. Vermutlich ist ihnen genau nach 1/3 Hosentasche ihr letztes Training wieder eingefallen, in dem ihnen eingebläut wurde, dass Hände auf keinen Fall in die Hosentaschen gehören, weil dies Unsicherheit ausstrahlt. Doch was soll das? Zum einen wandelt sich die Gesellschaft und außerdem ist das Gesamtbild eines Redners von ganz vielen Bestandteilen in Summe abhängig. Und wer sagt, dass eine authentische Hand in der Tasche in Kombination mit einem wertschätzenden und gewinnenden Lächeln unsicher wirkt? Auf die Kombination und die Dosierung kommt es an. Wie viele Politiker und Charakterköpfe haben ihre persönlichen Gesten, Mimiken und „Macken“? Denken Sie zum Beispiel an unsere Bundeskanzlerin – die Merkel-Raute hat mittlerweile Kultstatus. Damit wir uns nicht falsch verstehen. Natürlich gibt es auch bei der Körpersprache Regeln, die Sie unbedingt einhalten sollten. Nicht ablesen, Blickkontakt halten, die Arme nicht permanent verschränken, bloß nicht auf die Uhr sehen etc. Mir geht es lediglich darum festzuhalten, dass die Persönlichkeit bei der Kommunikation, in welcher Form auch immer, an erster Stelle steht.
Ihre Persönlichkeit entscheidet über den Erfolg Ihrer Rede. Ihre Persönlichkeit zielt direkt auf das Bauchgefühl Ihrer Zuhörer ab. Die Inhalte sprechen dagegen den Kopf an. Es geht darum, Ihr Markenbild herauszuarbeiten und professionell zu übersetzen. Doch wie sieht dieses Markenbild aus und wie aktiviere ich es, wenn ich es brauche? Hierzu gibt es verschiedene Übungen, die ich mit meinen Kunden trainiere. Als Tipp an dieser Stelle empfehle ich Ihnen, sich selbst einmal als Marke zu sehen und sich zu fragen,
• Was macht mich eigentlich so unverwechselbar?
• Wie würden andere mich als Marke beschreiben?
• Wie würde ein Werbespot über mich aussehen?
Lernen Sie von den bekannten Markenartiklern und betreiben Sie permanente Markenführung an sich.
Die Zielgruppe im Vorfeld einschätzen lernen
Wer das Publikum im Vorfeld kennt, ist klar im Vorteil. Denn es ist wichtig, bestimmte Bestandteile darauf abzustimmen. Ein Beispiel: Mit einem Zitat von Sepp Herberger wird man vermutlich bei einer jungen Zielgruppe in jede Menge fragende Augen blicken. Daher sollten Sie die Quellen sorgfältig auswählen, aus denen Sie zitieren. Anstatt Cicero vielleicht mal Sido lautet die Devise. Ich habe es mir in diesem Zusammenhang zur Gewohnheit gemacht, mich selbst bei dem Besuch einer Veranstaltung zu Beginn zu fragen, wie ich dort eine Rede halten und die Zielgruppe ansprechen würde. Glauben Sie mir, wenn man das ein paar Mal gemacht hat, kommen diese Gedanken ganz automatisch.
Floskeln und Phrasen
Eine weitere Übung bei Veranstaltungen ist das Spiel „Floskel-Bingo“. Ich frage mich immer wieder, wie es dazu gekommen ist, dass sich über Jahrzehnte in Reden und Grußworten so viele Floskeln halten? Da sagen gestandene Persönlichkeiten Sätze wie „Ich freue mich, dass Sie so zahlreich erschienen sind“, „last but noch least“ oder ganz schlimm „für Ihr leibliches Wohl ist gesorgt“. So spricht doch kein Mensch! Warum also auf einmal in der freien Rede? Die Erklärung ist recht einfach: Floskeln werden nicht hinterfragt und auf unsicherem Terrain greift der Mensch unwillkürlich auf bereits Gängiges zurück. Egal, ob es selbst positiv oder negativ eingeschätzt wird. Frei nach dem Motto: „Was schon so oft gesagt wurde, kann ja nicht schlimm sein“. In der Tat – „schlimm“ ist ein abgehackter Arm. Aber das kann doch nicht der Anspruch an die eigene Rede sein. Ich rate dazu, sich selbst einmal eine No-Go-Liste zu erstellen und diese dann adäquat zu übersetzen. Dabei sollten Sie sich fragen, „wie sage ich das normalerweise?“ So könnte anstelle der Ich-freue-mich-dass-Sie-so-zahlreich-erschienen-sind-Floskel ein „Klasse! Sie alle zusammen – das sieht von hier wirklich beeindruckend aus, danke schon mal für dieses schöne Erlebnis.“ formuliert werden.
Diese Formulierungen müssen dann einfach gepaukt werden. Zum Beispiel vor dem Schlafengehen oder in Gedanken beim Joggen.
Blacklist der Reden-Floskeln:
• „Ich freue mich, dass Sie so zahlreich erschienen sind“
• „Last but not least“
• „Für Ihr leibliches Wohl ist gesorgt“
• „Wie schon Konfuzius zu sagen pflegte…“
• „Ich wünsche der Feier einen harmonischen Verlauf“
• „Ich kommen nun zum Ende meiner Ausführungen“
• „Das Büfett ist eröffnet“
• etc.
Die mentale Vorbereitung ist die halbe Miete
Wie schaffe ich es, kurz vor der Rede keine hektischen Flecken oder Angstschweiß zu bekommen? Wie bleibe ich ruhig? Der Einstieg in eine Rede wird oft als der schwierigste und aufregendste Moment gesehen. Der alte und bekannte Tipp „Stell Dir einfach alle nackt vor“ ist nicht wirklich ratsam und kann unter Umständen den angeborenen Fluchtinstinkt noch vergrößern. Eignen Sie sich lieber eine Technik an, die bei der Meditation angewandt wird.
Ruhiges und bewusstes Atmen senkt den Puls und damit automatisch auch die Aufregung. Doch auch hier bringt das kurzfristige Beruhigen wenig, wenn man es nicht langfristig übt, um es sicher abrufen zu können. Verlieren Sie jetzt nicht die Nerven – das langfristige Einüben kann sogar, wenn Sie es richtig umsetzen, Spaß machen. Folgendermaßen können Sie mit Ihrer Übung starten: Entwickeln Sie Ihre eigenen Glaubenssätze! Sagen Sie sich regelmäßig und nicht nur vor Vorträgen „Ich bin gut, souverän und ich liebe mein Publikum!“ Träumen Sie von einem Vortrag zu einem Thema, das Sie aus dem Effeff beherrschen. Achten Sie dabei bewusst auf Ihre Atmung. Bauen Sie, wenn es soweit ist, eine positive Verbindung zu Ihrem Publikum auf. Allein durch den Aufbau dieser Verbindung kommen Sie viel vertrauter und sympathischer rüber. Um diese Aussage zu verdeutlichen, denken Sie bitte einfach mal an einen großen schwarzen freilaufenden Hund, der Ihnen auf einem engen Feldweg entgegenkommt. Sie haben Angst? Jede Wette, der Hund bemerkt Ihre Schwäche und nutzt diese aus.
Ein weiterer psychologischer Tipp: Verinnerlichen Sie sich, dass Sie nie vor einer homogenen Gruppe sprechen, sondern immer vor mehreren Einzelpersonen, die lediglich zusammen sitzen. Jeder nimmt Sie persönlich wahr – wie in einem Einzelgespräch, in dem Sie sicherlich kein Lampenfieber haben.
Der Zeitpunkt der Rede
Der Zeitpunkt einer Rede kann durchaus Einfluss auf ihre Wirkung haben. Aber glauben Sie mir, es gibt keinen perfekten Zeitpunkt. Was zählt, ist was Sie daraus machen. So gibt es für jede Situation die richtige Maßnahme, um diese sogar positiv für sich zu nutzen. Bauen Sie das Büffet oder die Schlange bei der Akkreditierung gekonnt in Ihre Einleitung mit ein. Das bringt Ihnen Sympathiepunkte und steigert die Aufmerksamkeit.
Aufmerksamkeit schaffen – Fragen stellen
Was meinen Sie wie schnell das Publikum aufmerksam zuhört, wenn Sie zu Beginn den Dialog mit Einzelpersonen suchen? Oder starten Sie den Vortrag mit einer Umfrage, bei denen das Publikum Handzeichen geben muss. Allein die Angst, direkt angesprochen zu werden, sorgt für Aufmerksamkeit. Nun liegt es an Ihnen, diese nicht abreißen zu lassen. Hangeln Sie sich so von Aufmerksamkeitsmaßnahme zu Aufmerksamkeitsmaßnahme.
Frei reden
Redner ohne Zettel oder Manuskript findet man selten. Dabei ist die freie Rede ein Qualitätskriterium. Doch wie komme ich da hin? Eine gute Übung dazu ist die Folgende: Ziel ist es, Ihre Gedanken im Kopf zu portionieren. Dies gelingt Ihnen zum Beispiel durch die Vorstellung einer routinierten Strecke mit verschiedenen Stationen, die Sie gedanklich nach und nach abarbeiten. Nehmen wir mal den täglichen Weg zu Ihrer Arbeit. Erste Station ist die Haustür. Die Haustür verbinden Sie mit der Begrüßung Ihres Publikums. Der Einstieg in Ihr Auto ist die nächste Station, mit der Sie in Ihr Thema einsteigen. Kreuzungen, Abfahrten bis hin zum Firmenparkplatz können Ihnen so eine gute Gedächtnisstütze sein, um Ihre Themen verlässlich zu strukturieren.
Kernbotschaften müssen sitzen
Wie schaffen Sie es, dass wirklich am Ende das beim Publikum hängen bleibt, was Ihnen wichtig ist? Wenn Sie sich die ersten Gedanken über Ihre Rede machen, definieren Sie zuerst die Botschaften, die Sie unbedingt bei Ihren Zuhörern platzieren wollen. Es ist wichtig, dass Sie diese ohne viel Schnörkel formulieren, damit sie für jeden als Highlight erkennbar sind. Im Gegensatz zu langen Fachtexten, in denen man seine Aussagen durch ausführliche Herleitungen entwickelt, wird im Vortrag die Erklärung nachgereicht. Ein Beispiel: „Ich bin mir sicher, dass wir mit unserer neuen Produktstrategie bereits 2020 Marktführer sein werden! Was mich da so sicher macht, erkläre ich Ihnen jetzt. […]“
Werden Sie bei der Formulierung Ihrer Botschaft bewusst langsamer. Zerlegen Sie Ihre Aussage in kleine, gut konsumierbare Happen. So unterscheidet sie sich von den anderen Inhalten.
Überfordern Sie Ihr Publikum nicht
Wieviele Botschaften verträgt eine Rede? Diese Frage ist nicht pauschal zu beantworten, da die Menge der Botschaften eng mit dem Involvement der Empfänger zu tun hat. Je höher das Involvement, desto mehr Botschaften können aufgenommen werden. Bei niedrigem Involvement droht mit dem Informations-Overload der gedankliche Ausstieg. In diesem Fall gilt der Grundsatz „weniger ist mehr“. Kleine Übung für die Praxis: Was passiert, wenn Sie Ihrem Gegenüber mit einem Mal fünf Bälle zuwerfen? Wieviel wird er fangen? Vermutlich keinen. Also idealerweise nicht zu viele Botschaften und immer schön eine nach der anderen.
Was können Sie aber tun, wenn Sie ganz viel zu sagen haben, Ihnen aber nur 20 Minuten zur Verfügung stehen? Nun ist harte Selektion gefragt. Schreiben Sie am besten alle Ihre Aussagen auf ein großes Blatt Papier. Fangen Sie nun an zu streichen, bis die (maximal) drei wichtigsten Botschaften übrig sind. Versuchen Sie nicht, alle Aussagen in das Zeitfenster hineinzuquetschen. Weisen Sie lieber auf die kurze Zeit hin und stellen Sie sich als Gesprächspartner bei nächster Gelegenheit zur Verfügung.
Im Fall der Fälle – der Filmriss
Wie verliert ein Blackout seinen Schrecken? Indem man ein Notprogramm parat hat, das man im Vorfeld einübt. Fehler sind menschlich und keiner schließt automatisch auf fehlende Kompetenz oder ähnliches, wenn damit professionell umgegangen wird. Erst fehlende Souveränität verwandelt Fehler in nachhaltige negative Erlebnisse beim Publikum. Darüber hinaus fällt einem Zuhörer ein Stocken nicht so schnell auf, wie man denkt. Drei Sekunden Stille sind für den Redner eine Ewigkeit, werden aber in der Regel vom Publikum als stilistisches Mittel interpretiert. Um sicher zu gehen, vermeiden Sie Formulierungen wie „Es gibt fünf gute Gründe für...“ und nutzen Sie stattdessen „Es gibt gute Gründe für...“. Bei der zweiten Formulierung fällt es nicht auf, wenn der fünfte Grund vergessen wird.
Wenn das Ende naht
Das Ende einer Rede ist im Prinzip ähnlich schwierig wie ihr Anfang und sollte deswegen ebenfalls gut eingeübt werden. Wichtig ist auf jeden Fall, dass Sie Ihrem Publikum einen Ausblick geben und eine Brücke zur Abmoderation schlagen. Das bedeutet, dass Sie idealerweise im Vorfeld klären, wo Sie aufhören und Ihr Moderator wieder anfängt. Enden Sie mit Humor, damit Sie sich in locker-fröhlicher Atmosphäre verabschieden können.