Umgang mit der drohenden Afrikanischen Schweinepest
veröffentlicht im Genossenschafts-Magazin Weser-Ems, Ausgabe 07/2018
Vertreter der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, des Niedersächsischen Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES), der Vereinigten Tierversicherung Gesellschaft (VTV) und Fachreferenten unseres Verbandes informierten am 7. Mai im Akademiehotel Rastede über die drohende Afrikanische Schweinepest (ASP).

Seit 2013 tritt die Afrikanische Schweinepest (ASP) im Baltikum und in Ostpolen auf. Die Ausbrüche 2017 in Tschechien, nordöstlich von Warschau und zuletzt in Ungarn weisen auf eine hohe Gefährdungslage für die deutsche Schweineproduktion hin. Die ASP ist damit bis auf 300 km Entfernung an die Grenzen zu Deutschland herangerückt. Der bei einem Ausbruch in Gesamtdeutschland zu erwartende massive Preisverfall hätte enorme wirtschaftliche Konsequenzen für die schweinehaltenden Betriebe sowie alle vor- und nachgelagerten Bereiche, insbesondere für unsere Mitgliedsgenossenschaften.
Arbeitskreis Landwirtschaft
Auf Anregung des Arbeitskreises Landwirtschaft wurde diese Agrar-Fachtagung von Ralf-Peter Janik, Abteilung Marketing-Verbundkoordination-Gründungsberatung, mit dem Ziel organisiert, mögliche Handlungsoptionen aufzuzeigen und individuelle Fragen der anwesenden Vertreterinnen und Vertreter der Genossenschaftsbanken und der Ländlichen Genossenschaften zu beantworten.
In seiner Begrüßung stellte Harald Lesch, Abteilungsleiter unseres Verbandes und Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft der Volksbanken und Raiffeisenbanken in Weser-Ems, die Bedeutung der Landwirtschaft für die Mitglieder des Genossenschaftsverbandes Weser-Ems anhand von Marktforschungsdaten dar.
Martin Spils, Vorstandsmitglied der VR Bank Oldenburg Land West eG und Vorsitzender des Arbeitskreises Landwirtschaft, betonte, dass „sich der Arbeitskreis als konstanter und verlässlicher Partner der Landwirte und der dem Verband angehörenden Mitgliedsunternehmen sieht. Unser Netzwerk bündelt viele Kräfte und teilt ein hohes Maß an fachlichem Know-How mit dem gesamten Agrarbereich in Weser-Ems“. Mit 3.800 Schweinehaltern bilde Weser-Ems den Agrarstandort in Niedersachsen, dem Land, in dem 5.900 Schweinehalter ansässig seien. Dem Arbeitskreis Landwirtschaft ist es daher ein besonderes Anliegen, sich dafür einzusetzen, dass alle Mitgliedsunternehmen sich vor einem möglichen Ausbruch mit ihren schweinehaltenden Landwirten gemeinsam vorbereiten und mit den Fachleuten der Landwirtschaftskammer Niedersachen und der VR AgrarBeratung AG eine gemeinsame „Krisen-Handhabung“ verfolgen. Im Falle eines Ausbruches von ASP geht es um eine sachliche Bewertung der Situation des einzelnen Betriebes und vorrangig darum, dem landwirtschaftlichen Kunden und seiner Familie als Hausbank zur Seite zu stehen. Im Gespräch mit der Hausbank muss gemeinsam versucht werden, die Liquidität sicher zu stellen und Fortführungs-Strategien gemeinsam mit den Experten des genossenschaftlichen Agrar-Netzwerkes Weser-Ems zu erörtern.
Ausbreitung der ASP
Zu der Ausbreitung der ASP unter den Aspekten der Virologie, Diagnostik und Epidemiologie referierte Dr. Jens Brackmann, Fachtierarzt für Virologie und Mitglied der Task-Force Veterinärwesen beim LAVES. Weder bestehe eine Ansteckungsgefahr für den Menschen, noch für die Lebensmittelsicherheit der Verbraucher. Die für Menschen ungefährliche ASP verlaufe bei den Tieren (Wild- und Hausschweine) jedoch grundsätzlich tödlich. Da die ASP als fieberhafte, hoch ansteckende Allgemeinerkrankung von Schweinen fast immer innerhalb weniger Tage zum Tode führt, hätte eine Seuche erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen auf Schweinehalter.
Die ASP wurde vermutlich über Schiffsabfälle in die Hafenstadt Poti am Schwarzen Meer, Georgien, eingetragen und breitete sich dann in den baltischen Staaten rapide aus. Die Ausbrüche von ASP 2017 in Tschechien, nordöstlich von Warschau und zuletzt am 19.04.2018 im Norden von Ungarn weisen auf eine hohe Gefährdungslage für die deutsche Schweineproduktion hin.
Ein hohes Einschleppungsrisiko resultiert durch zurückgelassene Speisereste aus Gefährdungsgebieten. Diese werden als Infektionsquelle angesehen, die dann über Wildschweine verbreitet und weitergegeben werden. Eingeschleppt werden kann ASP auch durch das Mitbringen von infektiösem Material, dass z. B. an Gummistiefeln, Kleidung, Autoreifen haftet. Eine Impfung sei in absehbarer Zeit nicht zu erwarten.
In Niedersachsen laufen bereits umfangreiche ASP-Vorbereitungen. Es wurden Maßnahmen zu Prävention und Regelungen für Restriktionszonen bei einem Ausbruch definiert. Tierhalter müssen alle Vorsichtsmaßnahmen strikt beachten. Dazu zählt der Schutz der Hausschweinebestände vor einer Infektion durch strenge Biosicherheitsmaßnahmen.
Wirtschaftliche Konsequenzen im Seuchenfall
Dr. Albert Hortmann-Scholten, Fachbereichsleiter Betriebswirtschaft der Kammer, ging in seinem Vortrag auf die wirtschaftlichen Konsequenzen bei einem Seuchenfall von ASP in Deutschland ein. Bei einem ASP-Ausbruch beim Hausschwein wird um den jeweiligen Seuchenbetrieb ein Sperrbezirk von 3 km Radius eingerichtet. Eine Aufhebung erfolgt frühestens nach 45 Tagen nach der Durchführung von Desinfektionsmaßnahmen und erfolgten Untersuchungen in allen Betrieben, sofern das Ergebnis im Sperrbezirk negativ ist. Um den Sperrbezirk wird ein sogenanntes Beobachtungsgebiet mit mindestens 10 km Radius eingerichtet. Es steht ein Verbringungsverbot für Schweine, Fleisch, Sperma, Eizellen und Embryonen sowohl im Sperrbezirk als auch im Beobachtungsgebiet.
Bei einem Ausbruch von ASP bei Wildschweinen wird um den Seuchenfund im Radius von 15 km ein so genanntes „gefährdetes Gebiet“ eingerichtet, das mindestens 12 Monate überwacht wird. Zudem wird eine „großräumige Pufferzone“ mit mindestens dem doppelten Radius, also 30 km, um den Seuchenfund eingerichtet. Gras, Heu und Stroh, das im gefährdeten Gebiet geerntet worden ist, darf nicht in Hausschweinebestände gelangen. Getreide ist nicht betroffen. Eine weitere Ausnahme besteht, wenn das Material älter als sechs Monate ist bzw. einer Hitzebehandlung von mind. 70 Grad Celsius unterzogen wurde.
Im Falle eines ASP-Ausbruchs bei Wildschweinen dürfen Hausschweine aus gefährdeten Gebieten und der Pufferzone unter bestimmten Bedingungen, beispielsweise nach einer negativen virologischen Untersuchung, verbracht werden und das Schweinefleisch darf nach der Schlachtung mit dem normalen ovalen Stempel versehen und in den Verkehr gebracht werden.
Rund eine Million Tonnen an Schweinefleisch und Nebenerzeugnissen werden jährlich, so Dr. Hortmann-Scholten, in Drittstaaten exportiert. Bei einem ASP-Ausbruch werden diese Drittlands-Märkte durch Stopp der Importe mit wenigen Ausnahmen wegbrechen. Ein Preiseinbruch und steigende Kosten, unter anderem durch umfangreiche veterinärrechtliche Begleitarbeiten, wären die Folge. Kollateralschäden würden sich auch bei der Mischfutterindustrie, der Fleischwirtschaft und anderen Akteuren im vor- und nachgelagerten Bereich ergeben.
Versicherungsschutz für Schweinehalter
Jürgen Enneking von der VTV Vereinigte Tierversicherung Gesellschaft, stellte die Möglichkeiten der betrieblichen Vorsorge über die Ertragsschadenversicherung bei einem Ausbruch von ASP vor. Grundsätzlich empfahl er, dass jeder Landwirt - unter anderem wegen der steigenden Gefahr einer Einschleppung der ASP - die Möglichkeit einer Ertragsschadenversicherung für seinen Betrieb prüfen solle. Mit einer verhältnismäßig kurzen Wartezeit nach Abschluss kann diese eine gute Risikovorsorge bieten. Allerdings sei ein Neuabschluss - sobald ein Seuchenfall bereits eingetreten sein sollte - in der Regel kaum noch möglich. Die Ertragsschadenversicherung regelt Schäden, die aufgrund einer Sperrung des tierhaltenden Betriebes oder infolge der Keulung von Tierbeständen und Mehrkosten für die Reinigung und Desinfektion entstehen. Nicht versichert ist der allgemeine Preisverfall infolge wegbrechender Märkte oder geändertem Verbrauchverhalten, dass sich in einem Nachfragerückgang zeigt. Im Schadenfall wir der allgemeine Marktpreis zum Schadenzeitpunkt zugrunde gelegt. Der Betrieb wird im Schadenfall so gestellt, als ob der Schaden nicht eingetreten wäre. Dazu wurde das sogenannte Deckungsbeitragsmodell, das eine umfassende Deckung gewährleistet, empfohlen. Enneking rät den schweinehaltenden Landwirten, den eigenen Versicherungsschutz zeitnah zu überprüfen.
Nach dem gemeinsamen Mittagessen wurde die Gruppe geteilt. In der ersten Gruppe konnten sich die Vertreter der Genossenschaftsbanken aus Weser-Ems über die Auswirkungen auf das Kreditgeschäft und die Leistungen der sozioökonomischen Beratung informieren. In der zweiten Gruppe wurde den Vertretern der Ländlichen Genossenschaften aus Weser-Ems das ASP-Krisenmanagement vorgestellt.
Auswirkungen auf das Kreditgeschäft
Stefan Grüterich, Prüfungsdienstleiter Banken, erörterte die Auswirkungen auf das Kreditgeschäft. Die Intensität der Auseinandersetzung mit der ASP-Thematik sollte sich am jeweiligen Risikopotenzial der Bank orientieren. Einzubeziehen ist nicht nur die Kreditabteilung, sondern auch der Bereich Gesamtbanksteuerung. Grundlage sind hier die Anforderungen der MaRisk. Die Bank sollte unabhängig von der ASP-Thematik eine strukturierte Bestandsaufnahme ihres landwirtschaftlichen Portfolios vornehmen und differenziert nach Betriebszweig, Kreditvolumen, Blankovolumen und Rating eine Risikoanalyse durchführen.
Bei der Untersuchung von Einzelbetrieben ist der Analyseaufwand nach Risikorelevanz abzustufen; dabei sollten die größten Engagements zuerst berücksichtigt werden. Mit dem Landwirt ist zu besprechen, welche Maßnahmen vor einem ASP-Fall bereits heute getroffen werden können und es sollte eine Detailanalyse zur Zukunftsfähigkeit des Betriebes – auch unabhängig von der ASP-Thematik – vorliegen. Zu den Vorarbeiten gehört auch – vor dem Hintergrund eines drohenden ASP-Ausbruches – dass im Haus Regelungen für die Zuständigkeit und Koordinierung zur ASP-Thematik getroffen und alle Mitarbeiter über das Thema informiert werden. Ein hausinterner Ablaufplan für alle Agrarberater/-innen im Umgang mit betroffenen landwirtschaftlichen Kunden sollte als „Hausmeinung“ vorliegen.
Grüterich führte als mögliches Standardvorgehen für Einzelfälle aus, dass neben Unterlagen zur Analyse der aktuellen ASP-Situation die jeweilige aktuelle und künftige Kapitaldienstfähigkeit untersucht, die Sicherheitenwerte aktualisiert, das Rating angepasst und ggf. über Maßnahmen einer „Soforthilfe ASP“ entschieden werden sollte. Für Detailfragen steht die Prüfungsabteilung unseres Verbandes gerne zur Verfügung.
Sozioökonomische Beratung
Im Vortrag von Anne Dirksen, Leiterin Sozioökonomische Beratung der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, wurden die Leistungen und Hilfen dieses Bereiches vorgestellt. Ziel ist die Einkommens- und Vermögenssicherung der betroffenen landwirtschaftlichen Familie. Dazu werden im gemeinsamen Gespräch die Stärken und Schwächen von Familie und Betrieb analysiert. Möglichkeiten der Weiterbewirtschaftung und Optimierung im Haupterwerb werden ebenso wie Szenarien einer Umstellung auf Nebenerwerb oder einer Betriebsaufgabe im gemeinsamen Gespräch erörtert. Dirksen betonte, dass die Entscheidungen über die weitere Zukunft des landwirtschaftlichen Betriebes ganz alleine die Unternehmerfamilie trifft. Entscheidend ist im Krisenfall, dass mit der sozioökonomischen Beratung der Landwirtschaftskammer versierte Berater/-innen zur Verfügung stehen, die im Falle eines ASP-Ausbruches auf dem Betrieb „psychologische Hilfe“ anbieten, da neben den ökonomischen Konsequenzen die emotionale Belastung der betroffenen landwirtschaftlichen Familien sehr groß ist.
ASP-Krisenmanagement
Christoph Krieger, Vorstandsstab für Grundsatzfragen und Geschäftspolitik, referierte in seinem Vortrag über das „ASP-Krisenmanagement – Wenn das Wildschwein sich mit dem Hausschwein zum Schlafen legt“. Der gewählte Arbeitstitel verweist auf die Herausforderung, nach der es im Falle eines ASP-Ausbruchs in Deutschlands zwingend erforderlich ist, die heimischen Schweinebestände zu schützen, indem der Eintrag der ASP mittels geeigneter Biosicherheitsmaßnahmen zu verhindern ist.
Neben allgemeingültigen Informationen zum ASP-Virus und einer Darlegung des europäischen und nationalen Rechtsrahmens klärte Krieger auf über die unterschiedlichen Maßnahmen, an denen seitens der Behörden und zahlreichen Vertretern der Wirtschaft derzeit gearbeitet wird.
Besonders hervorzuheben ist eine durch den Deutschen Raiffeisenverband (DRV) implementierte nationale Arbeitsgruppe von Experten und behördlichen Vertretern, in der seit Beginn des Jahres daran gearbeitet wird, ein ASP-Krisenhandbuch zu erstellen. Das (Muster-) Handbuch dient der Vorbereitung und Umsetzung von Maßnahmen in Verbindung mit dem Transport von Nutztieren sowie Gütern (Warenwirtschaft) auf und von Schweine haltenden Betrieben. Es soll allen Waren- und Viehhandelsgenossenschaften als Grundlage dienen, um im Krisenfall handlungssicher und rechtskonform agieren zu können und gleichzeitig eine verbesserte Abstimmung zwischen Unternehmen und zuständigen Behörden – insbesondere bei Ausnahmeregelungen – zu ermöglichen.
Zum Ende des Vortrags wurde die hervorragende Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und behördlichen Vertretern gelobt. Demnach gibt es einen gerechtfertigten Grund zur Hoffnung, die hiesigen Schweinebestände vor der drohenden ASP zu schützen, so Krieger.