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Gute Ausbildung und Mut zur Veränderung sind Fundamente für die Zukunft

veröffentlicht im Genossenschafts-Magazin Weser-Ems, Ausgabe 11/2018

Unternehmertag in Oldenburg diskutierte Erfolgsgaranten für landwirtschaftliche Betriebe.

 © Thorsten Ritzmann
Diskutierten unter der Moderation von Marlene Kohnen (Mitte) in Oldenburg über die aktuellen und künftigen Herausforderungen der Landwirtschaft (v. r.): Uwe Bintz, Unternehmensberater der Landwirtschaftskammer Niedersachsen; Hans-Joachim Harms, Direktor der Landwirtschaftskammer Niedersachsen; Gerhard Schwetje, Präsident der Landwirtschaftskammer Niedersachsen; Dr. Hermann Onko Aeikens, Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium; Rainer Beckedorf, Staatssekretär im niedersächsischen Landwirtschaftsministerium; Albert Schulte to Brinke, Präsident des Niedersächsischen Landvolkverbandes; Bankdirektor Martin Spils, Vorsitzender des Arbeitskreises Landwirtschaft der Volksbanken und Raiffeisenbanken in Weser-Ems, und Prof. Dr. Klemens Skibicki, Marketing-Professor an der Cologne Business School.

Landwirtschaft findet unter immer schwierigeren Rahmenbedingungen statt. „Wer heute seinen Betrieb auf die Zukunft ausrichten will, steht vor großen Herausforderungen“, sagte Gerhard Schwetje, Präsident der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, am 18. Oktober 2018 auf dem 19. Landwirtschaftlichen Unternehmertag in Oldenburg, den die Landwirtschaftskammer Niedersachsen erneut mit den Volksbanken und Raiffeisenbanken in Weser-Ems durchgeführt hat. Als konkrete Punkte nannte er u. a. den Klimawandel und die Tierhaltung. „In beiden Fällen müssen sich viele Betriebe neu ausrichten“, so Schwetje vor 800 Besuchern. Im Ackerbau könnten das neue Fruchtfolgen, andere Sorten oder bisher weniger angebaute Kulturen sein. In der Tierhaltung liefe das auf neue Haltungssysteme hinaus, die die gesellschaftlichen Erwartungen und die Erfordernisse der landwirtschaftlichen Praxis vereinten. „Aber das kostet Zeit, sowohl der Erkenntnisgewinn aus Versuchen als auch der Wissenstransfer auf die Betriebe und die Umsetzung dort“, sagte der Kammerpräsident. Betriebe und Berater seien heute mehr denn je gefordert, die Hauptrisiken in den landwirtschaftlichen Betrieben zu analysieren und betriebsindividuell Vorsorge zu treffen. „Hier kommt es weniger auf Versicherungen als vielmehr auf finanziell stabile, breit aufgestellte Betriebe an“, stellte Schwetje fest. Gut ausgebildete Landwirte und Landwirtinnen mit Weitblick und Veränderungsbereitschaft seien dabei ein solides Fundament für ein funktionierendes Risikomanagement.

„Im Rahmen dieses Risikomanagements müssen neue Wege der Vorsorge beschritten werden“, meinte auch Rainer Beckedorf. Der Staatssekretär im niedersächsischen Landwirtschaftsministerium sieht die Landwirtschaft unter einem hohen Anpassungsdruck. Staatliche Nothilfen über schwer kalkulierbare Existenzsicherungsprogramme seien auf Dauer keine Lösung. Vielmehr müsse darüber nachgedacht werden, wie das betriebliche Risikomanagement durch den Staat unterstützt werden könne.

Beckedorf wies darauf hin, dass Phasen der Veränderung auch mit Chancen verbunden seien. Die hätte die niedersächsische Landwirtschaft in der Vergangenheit immer wieder erfolgreich zu nutzen gewusst und so das Bundesland zum Agrarland Nummer 1 in Deutschland gemacht. In diesem Sinne erwartet Beckedorf eine „weitere Ausdifferenzierung der betrieblichen Strategien“. Dabei setze sich das Land Niedersachsen für praxisnahe Lösungen ein. „Und wir geben den Landwirten Zeit, ihre Betriebe an künftige Herausforderungen anzupassen“, so der Staatssekretär.

In vielen Regionen sieht Uwe Bintz, Unternehmensberater der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, die Grenzen des Wachstums erreicht. Das Motto der Vergangenheit „Wachsen oder Weichen“ habe sich zu einem „Besser ist mehr“ gewandelt. Künftig gehe es darum, die vorhandenen Produktionsfaktoren „maximal effizient“ zu nutzen. Als Beispiel nannte Bintz die Ställe in der Tierhaltung. „Künftig gilt es, Stallkapazitäten noch besser auszulasten“, so der Berater. Das könne nicht nur über höhere Leistungen der Tiere, sondern auch über eine höhere Wertschöpfung zum Beispiel durch verbesserte Standards in der Tierhaltung erreicht werden. Hier sei oft eine enge Anbindung an den vor- und nachgelagerten Bereich notwendig.

In einem Vergleich von Geflügel-, Rindvieh- und Schweinehaltung erwies sich die Haltung von Legehennen und Hähnchen als überlegen. Dabei wurden die Parameter Gesamtwirtschaftlichkeit, Stallkosten und Arbeitsaufwand verglichen. „Heute ist die Investitionsbereitschaft der Landwirte insbesondere in die Freilandhaltung von Legehennen nach wie vor sehr groß“, erklärte Bintz. Da keine Futterfläche benötigt werde, das Nährstoffproblem eher gering sei und der Markt noch Nachfragepotenzial habe, werde dieser Bereich auch zukünftig für viele Landwirte interessant bleiben.

„Zum wirtschaftlichen Erfolg gehören heute mehr als gute Zahlen“, sagte Dr. Hermann Onko Aeikens, Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium. Ebenso wichtig sei die Akzeptanz der Landwirtschaft in der Gesellschaft. Die werde nur erreicht, wenn einerseits ein Grundverständnis der Bevölkerung für die Belange der Landwirtschaft bestehe und andererseits die Landwirtschaft in einer nachhaltigen, von der Gesellschaft getragenen Weise wirtschafte. Für die landwirtschaftlichen Unternehmerinnen und Unternehmer bedeute das, ihr Handeln ständig zu überdenken. „Neuerungen sind dort einzusetzen, wo sie den Betrieb nachhaltiger machen – im ökonomischen, im ökologischen und im sozialen Bereich“, so Aeikens. Das Bundeslandwirtschaftsministerium flankiere diese Neuerungen unter anderem mit ihrer Nutztier- und Ackerbaustrategie sowie mit der Digitalisierung „vom Acker bis zum Teller“. Dabei laute das Ziel, deutschlandweit auch zukünftig eine von Familienbetrieben getragene, nachhaltige Landwirtschaft zu haben.

Die Herausforderungen der Landwirtschaft werden begleitet von dem Megatrend der Digitalisierung. „Wir befinden uns in einem Strukturwandel hin zum digital vernetzten Zeitalter“, sagte Professor Dr. Klemens Skibicki, Marketing-Fachmann aus Köln. Genauso vielseitig und komplex wie die Veränderung sei auch die Desorientierung, die bis in die Führungsetagen etablierter Unternehmen reiche. Die Art, wie Kunden Informationen aufnehmen, filtern und bewerten, verändere sich maßgeblich. Als Konsequenz daraus riet Skibicki auch landwirtschaftlichen Unternehmen, sich an diese neue „Customer Journey“ entlang der gesamten Wertschöpfungskette anzupassen. Das setze ein erfolgreiches Veränderungsmanagement hin zur digitalen Transformation voraus, an dessen Anfang alle wichtigen Treiber der vernetzten Prozesse ganzheitlich zu verinnerlichen seien. „Erst dann kann das Erobern des digitalen Neulandes beginnen!“, so der Marketing- Professor.