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Rückblick: Bundeskongress genossenschaftliche Energiewende

veröffentlicht im Genossenschafts-Magazin Weser-Ems, Ausgabe 04/2019

Die genossenschaftlichen Spitzenverbände Deutscher Genossenschafts- und Raiffeisenverband e.V. (DGRV) und Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) konnten wieder über 300 Gäste zum „Bundeskongress genossenschaftliche Energiewende“ in der DZ BANK am Pariser Platz in Berlin begrüßen.

 © GVWE
Timon Gremmels (Mitglied des Deutschen Bundestages, SPD-Bundestagsfraktion), Bastian Hoffmann (Vorstand der IngenieurNetzwerk Energie eG), Ludwig Heinloth (Geschäftsführer Technik der ENERPIPE GmbH) werden von René Groß (Leiter Politik und Recht, Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften beim DGRV) über Hindernisse und innovative Lösungswege für energiegenossenschaftliche Wärmeprojekte befragt.

Der große Zuspruch unterstrich die anhaltende Bedeutung einer möglichst bürgernahen Energiewende. Die Möglichkeit zum inhaltlichen Austausch und zum Vernetzen – auch beim anschließenden Jahresempfang der deutschen Genossenschaften – machen die Attraktivität der Veranstaltung aus. Dieser Bundeskongress bot erneut ein sehr abwechslungsreiches Programm, welches verdeutlichte, dass für die Bürgerenergie noch viel getan werden muss. Es wurde aber auch betont, dass die Bürgerenergie selbst sich weiterentwickeln sollte. Insbesondere die unternehmerische Professionalisierung wurde angesprochen.

Die Themenschwerpunkte orientierten sich an den drei Podien: Neben dem neuen europäischen Gesetzespaket und dessen mögliche Auswirkungen auf den deutschen Gesetzesrahmen wurden genossenschaftliche Praxisbeispiele mit Zukunftspotenzial vorgestellt und die Bepreisung von Treibhausgasemissionen diskutiert. Dazwischen gab es Input zur grünen Bürgerenergie mit Afrika und aus einem Projekt zur Weiterentwicklung von Energiegenossenschaften.

Rückenwind aus Brüssel

Grundsätzlich verspricht die EU-Richtlinie zu Erneuerbaren Energien neue Impulse für die Bürgerenergie. Dr. Hartmut Kahl von der Stiftung Umweltenergierecht gab einen Überblick über die wichtigsten Regelungen für Energiegenossenschaften. Dies umfasst insbesondere eine neue Definition von Bürgerenergie-Gemeinschaften. Bürgerenergie-Gemeinschaften sind demnach unabhängige rechtliche Einheiten, die demokratisch strukturiert sind und unter Kontrolle der lokalen Bevölkerung stehen. Zudem sollen sie offen für eine breite Beteiligung vor Ort und eher an dem Nutzen in der Region und weniger an den individuellen finanziellen Vorteilen der Kapitaleigner ausgerichtet sein. Mit diesem Ansatz sollen insgesamt die Bürger und ihre Kommunen in der Energiewende gestärkt werden.

Die Mitgliedsstaaten sind nun aufgefordert, Markteintrittsbarrieren und Diskriminierungen für neue und bestehende Bürgerenergieprojekte abzubauen. Sie müssen die gesetzlichen Grundlagen schaffen, damit Bürgerenergie-Gemeinschaften erneuerbare Energien erzeugen, speichern oder verkaufen können. Zudem soll es ihnen erleichtert werden, mit den eigenen Anlagen erzeugte Energie an ihre Mitglieder zu liefern. Auf dem Podium wurde die Richtlinie als Chance für die regenerative Eigenversorgung, Mieterstrommodelle und Bürgerenergiegesellschaften gesehen. Die bisher fehlende Stellungnahme vonseiten der Bundesregierung wurde von allen Podiumsteilnehmern bemängelt.

Schwung für die Nahwärme

Der zweite Veranstaltungsblock widmete sich der genossenschaftlichen Wärmewende. Timon Gremmels, Mitglied des Bundestages und der SPD-Bundestagsfraktion, umriss in seiner Keynote die Wärmestrategie der regierenden Koalition. Er zeigte sich enttäuscht über die fehlende Zugkraft der derzeitigen Rahmenbedingungen und wünschte sich Druck aus der energiegenossenschaftlichen Praxis.

Derzeitige Hindernisse und innovative Lösungswege für energiegenossenschaftliche Wärmeprojekte präsentierten mit Bastian Hoffmann von der IngenieurNetzwerk Energie eG (iNeG) und Ludwig Heinloth von ENERPIPE zwei ausgewiesene Experten der genossenschaftlichen Praxis. Hoffmann zeigte mit der „Waffelwärme“ der Venner Energie eG eine Energiegenossenschaft aus Weser-Ems, welche die industrielle Abwärme einer Waffelbäckerei für ein örtliches Wärmenetz nutzt. Ludwig Heinloth veranschaulichte die Möglichkeit, wie Wärme- und Stromversorgung im Sinne der Sektorenkopplung miteinander verbunden werden können.

Was ist uns der Klimaschutz wert?

Das dritte Podium beschäftigte sich mit der Bepreisung von Treibhausgasemissionen insbesondere aus Sicht der Wohnungsgenossenschaften. Über mögliche CO2-Bepreisungsmodelle und andere politische Instrumente im Strom- und Wärmebereich debattieren Sebastian Sladek, Vorstand der EWS Schönau eG, als Vertreter einer Energiegenossenschaft, mit Dr. Axel Viehweger vom Verband der Sächsischen Wohnungsgenossenschaften und Ulrich Ropertz, Geschäftsführer des deutschen Mieterbundes, als Vertreter der Wohnungswirtschaft.

Dr. Julia Verlinden, Mitglied des Deutschen Bundestages, von Bündnis 90/Die Grünen, rief zum schnellen Handeln bei der CO2-Bepreisung auf. Es entwickelte sich eine spannende Diskussion um das ausgewogene Verhältnis von bezahlbarem Wohnraum und der damit einhergehenden sozialen Frage und der Notwendigkeit der richtigen Bepreisung von Treibhausgasen, um Anreize für innovative und klimafreundliche Lösungen zu schaffen.

Energiegenossenschaften weiterentwickeln

Viele Energiegenossenschaften wurden mit der Motivation gegründet, den Bürgern vor Ort die Teilhabe an der Energiewende zu ermöglichen und einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Dieser Beitrag kann noch deutlich gesteigert werden, wenn die Potenziale für eine stärker klimaschutzorientierte Strategieentwicklung und Öffentlichkeitsarbeit erschlossen werden. Das ist das zentrale Thema des Forschungsprojekts „klimaGEN“, das im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative des Bundesumweltministeriums gefördert wird.

Sascha Görlitz von der Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften beim DGRV präsentierte die vorläufigen Ergebnisse des Projekts. Unter anderen beteiligen sich zwei Mitgliedsunternehmen des Genossenschaftsverband Weser-Ems e.V. am Projekt klimaGEN. Dies sind die Oldenburger Energie-Genossenschaft eG (Olegeno) und die Bürgerenergie Osteland eG aus Oldendorf. Das Projekt wird von der Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften beim DGRV gemeinsam mit dem deENet Kompetenznetzwerk dezen-trale Energietechnologien und dem Institut für Volkswirtschaftslehre, Fachgebiet Volkswirtschaftslehre mit Schwerpunkt dezentrale Energiewirtschaft, der Universität Kassel durchgeführt.