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DRV-Präsident Holzenkamp: "Die Agrarwende braucht ein starkes Europa"

veröffentlicht im Genossenschafts-Magazin Weser-Ems, Ausgabe 05/2019

Was aus Sicht der Genossenschaften wichtig ist, damit die Agrarwirtschaft weiterhin eine Zukunft in Europa hat, geht aus den DRV-Kernforderungen zur Europawahl hervor.

In den acht Positionen fordert der Spitzenverband der Genossenschaften im grünen Sektor die Stärkung der Erzeuger in der Lebensmittelkette ebenso wie einen freien Binnenmarkt und vor allem eine praxisnahe und starke Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) einhergehend mit einem stabilen Agrarbudget.

DIE ACHT FORDERUNGEN ZUR EUROPAWAHL

1. Politische Zukunft der Europäischen Union sichern

Der DRV ruft daher alle demokratischen Kräfte zu einem klaren Bekenntnis für ein starkes Europa auf. Mit Sorge betrachtet der Raiffeisenverband das Erstarken populistischer Positionen hin zu mehr Nationalstaatlichkeit. Die Stärke Europas liegt wie die Stärke von Genossenschaften im Gemeinsamen, nicht im Gegeneinander.

2. Stabiles EU-Agrarbudget erhalten

Im mehrjährigen EU-Finanzrahmen für die Periode nach 2020 muss aus Sicht des DRV ein weiterhin ausreichendes Budget für die GAP bereitgestellt werden. Das Zwei-Säulen-Modell der EU-Agrarpolitik hat sich grundsätzlich bewährt und muss fortgeführt werden. Auch über das Jahr 2020 hinaus ist dabei eine starke 1. Säule, die mit einem ausreichenden Finanzvolumen für die Direktzahlungen und die Marktstützung ausgestattet ist, von großer Bedeutung.

Die 2. Säule der GAP bietet ergänzend zu den Direktzahlungen die Möglichkeit einer gezielten Förderung spezifischer Aufgaben. Hierzu gehören zum einen Programme in Bereichen wie Klima- und Umweltschutz und Tierwohl, zum anderen die Förderung von Investitionen in der Land- und Ernährungswirtschaft. Sowohl das Niveau der Direktzahlungen (1. Säule der GAP), vor allem aber auch der 2. Säule, müssen stabil bleiben. Gerade der 2. Säule kommt eine große Bedeutung bei der dringend notwendigen Förderung von einzelbetrieblichen Investitionen zu. Vor diesem Hintergrund sieht der DRV die Notwendigkeit, den Vorschlag der EU-Kommission zum Finanzrahmen für die Periode 2021 bis 2027 hinsichtlich des Agrarbudgets nachzubessern.

3. Starke Gemeinsame Agrarpolitik weiterentwickeln

Der Erhalt einer starken GAP ist aus Sicht des DRV unverzichtbar, um eine wettbewerbsfähige, ökologisch und ökonomisch nachhaltige, flächendeckende Land- und Ernährungswirtschaft in Europa und
damit in Deutschland sicherzustellen. Schritte in Richtung einer Renationalisierung dieser Politik sind kontraproduktiv. Bei der anstehenden Reform der GAP nach 2020 ist der in den vergangenen Jahren eingeschlagene Kurs der Marktorientierung konsequent fortzusetzen. Die negativen Folgen der zu beobachtenden stärkeren Preisvolatilitäten für die Erzeuger und Vermarktungsunternehmen müssen abgefedert werden. Hierzu müssen neben dem Erhalt des Sicherheitsnetzes in der EU-Marktordnung zusätzliche Instrumente des Risikomanagements, so insbesondere Warenterminmärkte, verstärkt genutzt werden.

4. Erzeuger in der Lebensmittelkette stärken

Die Verbesserung der Position der Landwirte in der Lebensmittelkette – besonders gegenüber einem immer stärker konzentrierten Lebensmittelhandel – stellt ein zentrales politisches Anliegen auf EU-Ebene dar. Ein erster wichtiger Schritt in diese Richtung war die kürzlich erfolgte Verabschiedung der EU-Richtlinie zur Bekämpfung von unlauteren Handelspraktiken. Die Stärkung von Erzeugerzusammenschlüssen stellt einen weiteren Schritt mit diesem Ziel dar. Bestehende Erzeugerzusammenschlüsse sollten gestärkt werden. Externe rechtliche Vorgaben der EU für die Ausgestaltung der Lieferbeziehungen zwischen Erzeugern und Genossenschaften, so insbesondere im Milchsektor, lehnt der DRV mit Nachdruck ab. Das Genossenschaftsrecht bietet ausreichende Gestaltungsmöglichkeiten, über deren Nutzung die Mitglieder in den genossenschaftlichen Unternehmen selbst entscheiden.

5. Internationalen Agrarhandel fördern

Eine aktive Handelspolitik der EU mit dem Ziel der Öffnung neuer Handelswege in Drittländern ist von großer Bedeutung. Vor dem Hintergrund der schon seit Längerem festgefahrenen multilateralen Verhandlungen auf Ebene der Welthandelsorganisation WTO hat der Abschluss bilateraler Handelsabkommen der EU mit Drittstaaten erheblich an Bedeutung gewonnen. In diesem Zusammenhang müssen die Interessen der Agrarwirtschaft ausreichend gewahrt werden. Einseitige Zugeständnisse der EU gegenüber Drittländern auf Kosten des Agrarbereichs sind nicht akzeptabel. Ein positives Beispiel für ein ausgewogenes Vertragswerk: Freihandelsabkommen der EU mit Japan

6. Handelsbeziehungen zwischen der EU und Großbritannien nicht vernachlässigen

Das Vereinigte Königreich stellt für die deutsche Agrarwirtschaft einen sehr wichtigen Absatzmarkt dar, der nicht verloren gehen darf. Daher ist es wichtig, die Handelsbeziehungen zwischen der EU und Großbritannien auf eine neue, verlässliche Grundlage zu stellen. Aus Sicht des DRV müssen im Handel Zölle und administrative Kosten durch Zollformalitäten und abweichende Standards für Agrarprodukte unbedingt vermieden werden. Diese würden nicht nur die Unternehmen belasten, sondern gleichzeitig auch zu höheren Verbraucherpreisen führen. Stabilität und Verlässlichkeit sind Grundlagen erfolgreichen Wirtschaftens.

7. EU-Binnenmarkt bewahren und ausbauen

Bei den Debatten über den künftigen Weg der EU muss der gemeinsame Binnenmarkt oberste Priorität haben. Einheitliche wirtschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen müssen ihre Gültigkeit behalten. Tendenzen zur Renationalisierung einzelner Politikbereiche müssen alle überzeugten Europäer, zu denen sich auch der Raiffeisenverband zählt, entschieden entgegentreten: Sie beeinträchtigen die Rechts- und Planungssicherheit der Unternehmen und führen zu Wettbewerbsnachteilen.

8. Mehr Aufgeschlossenheit gegenüber Wissenschaft und technischem Fortschritt

Für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln und den Import von gentechnisch veränderten Rohstoffen für den Futtermittelsektor sind auf europäischer Ebene in verantwortungsvollen, demokratisch legitimierten Entscheidungsprozessen wissenschaftsbasierte Verfahren festgelegt worden. Allerdings werden die entsprechenden Zulassungsverfahren und die politischen Entscheidungen zunehmend durch populistische Einflüsse untergraben. Notwendige Entschlüsse werden verzögert oder verhindert. Eine moderne Landwirtschaft ist auf den Zugang zu zeitgemäßen Betriebsmitteln angewiesen. Der DRV fordert daher, die Zulassungen wieder zu entpolitisieren und Entscheidungen konsequent auf Basis gesicherter wissenschaftlicher Bewertungen zu treffen. Die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Agrarsektors muss im internationalen Wettbewerb gewahrt werden.

Das durch die EU initiierte Innovations- und Exzellenzprojekt „Horizon Europe“ muss weiter gestärkt und ausgebaut werden. Im landwirtschaftlichen Themenbereich muss dabei die Expertise der Grünen Branche nach Auffassung des DRV intensiv eingebunden werden sowie Kohärenz zu den Zielen der GAP sichergestellt werden.