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VR-Agrarberatung: Bodenrichtwert ist zu kurz gedacht

veröffentlicht im Genossenschafts-Magazin Weser-Ems, Ausgabe 05/2019

Kreditgeschäfte mit landwirtschaftlichen Betrieben gelten bei Banken als risikoarm. Doch der einfache Standardfall Kreditvergabe-gegen-Grundschuld kann nicht mehr herhalten, um einen landwirtschaftlichen Betrieb zuverlässig zu bewerten.

 

Das Agrarkreditgeschäft ist von einer geringen Ausfallwahrscheinlichkeit geprägt und wird aufgrund eines umfangreichen Grundbesitzes als gesichert eingestuft, da die Bodenwerte als Grundschuld für Verbindlichkeiten haften können. Kommt es dennoch zu einer Verwertung, profitieren Banken von der Aufdeckung stiller Reserven.

Agrarpolitische Reformen und finanzpolitisch motivierte Subventionskürzungen forcieren jedoch einen Strukturwandel in der Landwirtschaft. Größe und Komplexität der landwirtschaftlichen Betriebe steigen. In den vergangenen 25 Jahren hat sich die durchschnittlich bewirtschaftete Fläche in einem landwirtschaftlichen Betrieb verdoppelt, während sich gleichzeitig die Anzahl der Betriebe halbiert hat. Agrar-unternehmen pachten Land dazu – sehr oft zu einem größeren Anteil als der eigene Grundbesitz. Gleichzeitig nimmt der Anteil an gewerblicher Tierhaltung in der Agrarwirtschaft zu. Die Folge: Die Betriebsentwicklung geschieht häufig entkoppelt von der landwirtschaftlichen Eigentumsfläche. Der Wertanteil des Bodens am Gesamtvermögen nimmt ab.

Landwirte müssen, um wirtschaftlich zu arbeiten, neue Betriebsstrukturen aufbauen und in moderne Produktionstechnik investieren, was primär fremdfinanziert werden muss. Doch genau hier zeigen sich Risse im Gefüge eines traditionellen Kreditgeschäftes mit Agrarunternehmen. Denn die bloße Bewertung von Eigentumsflächen auf Grundlage von Bodenrichtwerten, die sehr häufig noch und ausschließlich Anwendung findet, ist nicht mehr zeitgemäß und spiegelt den Wert eines landwirtschaftlichen Unternehmens nicht adäquat wider.

Es stecken auch Bewertungsreserven in den Wirtschaftsgebäuden, die allzu oft bei einer Beurteilung vernachlässigt werden, vor allem in der gewerblichen Tierhaltung. Denn es gilt in solchen Fällen: Das Eigentum – und damit der Wert – liegt in den Stallungen. Die Grundlage für die Erstellung von Gutachten über den Beleihungswert bildet die Beleihungswertermittlungsverordnung. Demnach wird der Beleihungswert von dem Ertragswert und Sachwert der Immobilie abgeleitet.

Der Ertragswert wird auf Grundlage der marktüblichen Erträge ermittelt. Den Einstieg für die Berechnungen des Ertragswertes bildet der mehrjährige Durchschnitt des Deckungsbeitrages. Die Ertragswert-ermittlung zielt grundsätzlich nicht auf die Leistungsfähigkeit des Unternehmers ab, sondern auf die Möglichkeiten des Bewertungsobjektes unter der Leitung eines durchschnittlichen Unternehmers.

Der Sachwert umfasst den Bauwert der zu bewertenden Gebäude. Der Bauwert ergibt sich aus den gewöhnlichen Herstellungskosten der Gebäude unter Berücksichtigung der technischen und wirtschaftlichen Wertminderung.

Dieser Ansatz hat positive Folgen für die finanzierenden Banken. Denn der gestiegene Finanzierungsbedarf trifft auf Rahmenbedingungen, die im Zuge von Basel II und zukünftig Basel III durch verschärfte Eigenkapitalanforderungen an die finanzierenden Banken geprägt sind. Der Baseler Eigenkapitalakkord zielt darauf ab, die Eigenkapitalunterlegung an das tatsächliche Ausfallrisiko des Kreditnehmers anzupassen. Wird aufgrund unsachgemäßer Bewertung ein zu geringer Beleihungswert ausgewiesen, fällt die Risikobeurteilung entsprechend hoch aus und belastet das Eigenkapital der Bank.

Eine sachgerechte Beurteilung moderner Agrarunternehmen mithilfe der Ertrags- und Sachwertberechnung holt die Bewertung landwirtschaftlicher Objekte aus dem Schatten der Bodenrichtwerte und belastet das Eigenkapital der Banken weniger. Der Blick über den Tellerrand der Bodenrichtwerte hinaus gibt also positiven Spielraum für beide Seiten.