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„Pfadfinder“ im Agrar- und Lebensmittelmarketing

veröffentlicht im Genossenschafts-Magazin Weser-Ems, Ausgabe 06/2019

Vor 50 Jahren wurde die Marketinggesellschaft der niedersächsischen Land- und Ernährungswirtschaft e. V. gegründet. Die Marketinggesellschaft ist Pfadfinder, Spürhund, Ackergaul des Agrarmarketing, im Dienst der niedersächsischen Agrar- und Lebensmittelwirtschaft.

 © Andre' Wagenzik
Fachtagungen der Marketinggesellschaft wie beispielsweise die jährliche „Zukunftswerkstatt Landwirtschaft und Ernährung“ sind wichtige Treffpunkte der Branche.

Der Auftrag war klar: „Den Absatz niedersächsischer Agrarprodukte mit den Mitteln des modernen Marketings zu fördern“. Das war 1969. Damals gründeten sieben maßgebliche Organisationen der niedersächsischen Landwirtschaft, unter ihnen auch unser Verband, den „Marketingverein für niedersächsische Agrarprodukte“. Am 12. Mai 2019 wurde die heutige „Marketinggesellschaft der niedersächsischen Land- und Ernährungswirtschaft e.V.“ 50 Jahre alt. Sie ist damit die älteste Agrarmarketingorganisation eines Bundeslandes in Deutschland. Viele andere Bundesländer gründeten nach diesem Modell später ebenfalls entsprechende Organisationen.

Am Auftrag von damals hat sich grundsätzlich nichts geändert, die Ansprüche sind allerdings um ein Vielfaches komplexer geworden. Fragte der ehemalige niedersächsische Ministerpräsident Georg „Schorse“ Diederichs anlässlich eines Empfangs der Marketinggesellschaft auf der Grünen Woche 1970 noch: „Was ist das für ein Ding? Dies Marketing“, muss man das heute keinem Landwirt und erst recht keinem Lebensmittelhersteller mehr erklären. Die Themen, mit denen sich die zurzeit vierzehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter heute im Auftrag ihrer Kunden befassen, reichen vom Produkt-Relaunch über die Verkaufsförderung bis zur Unterstützung bei der Erschließung von Exportmärkten. Die Marketinggesellschaft greift Zukunfts- und Trendthemen der Branche auf und vermittelt dazu Handlungsempfehlungen. Das kann in Form konkreter Projektarbeit im Kundenauftrag geschehen, aber auch durch die Vermittlung von Wissen in Workshops, Seminaren und Fachtagungen.

Standortmarketing für den Ernährungsstandort Niedersachsen

Größter „Kunde“ der Marketinggesellschaft ist die niedersächsische Landesregierung, genauer, das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Die Zusammenarbeit wird in einem alle vier Jahre europaweit neu ausgeschriebenen Marketingvertrag im Detail geregelt. Im Auftrag des Landes betreibt die Marketinggesellschaft im weitesten Sinn Standortmarketing für den Ernährungsstandort Niedersachsen. Das heißt, sie unterstützt Landwirte sowie kleine und mittelständische Lebensmittelhersteller mit vielfältigen Service- und Beratungsangeboten. Messeauftritte unter der Schirmherrschaft des Landes gehören dazu, aber auch konzeptionelle Arbeiten, die Konzipierung von Veranstaltungen oder regelmäßige Marktforschungen. Letztere dienen nicht zuletzt dazu, strategische Entscheidungen der Landesregierung in der Agrar- und Verbraucherpolitik mit belastbaren Daten zu untermauern.

Ein wichtiger Grundsatz des Marketingvereins von damals gilt noch heute: Es wird kein öffentliches Geld für generische Werbung, Herkunftszeichen oder „bunte Bildchen“ verwendet, wie ein ehemaliger Geschäftsführer der Marketinggesellschaft es einmal formulierte. Der Betreuungs- und Beratungsansatz der Marketinggesellschaft ist streng kundenorientiert. Das heißt, der Kunde entscheidet, was er braucht und bezahlt es gegebenenfalls auch. Die Marketinggesellschaft finanziert zum Beispiel keinem Aussteller den Messeauftritt auf der Grünen Woche oder bezahlt Imagebroschüren oder Werbeveranstaltungen. Gleichwohl prüft sie entsprechende Wünsche hinsichtlich Förderfähigkeit durch das Land oder den Bund und hält dafür die Beratungskompetenz vor.

Durch Strukturwandel nehmen Anforderungen zu

Dass die vielen Aufgaben vom Verein sehr gut bewältigt werden, zeigt sich nicht zuletzt in der Tatsache, dass alle Gründungsmitglieder noch an Bord sind. In Zukunft werden die Anforderungen eher steigen: Durch den Strukturwandel werden immer weniger Akteure in immer komplexeren Wertschöpfungsketten die sich immer stärker differenzierenden Verbraucherwünsche erfüllen müssen. Dies gilt regional, national und global. Die dafür notwendigen, immer neuen fachlichen, politischen und übergebietlichen Netzwerke müssen geknüpft und gepflegt werden – auch das ist und bleibt eine der Kernaufgaben der Marketinggesellschaft. In der Niedersachsenhalle auf der Grünen Woche in Berlin fing in den 70er-Jahren alles an. Damals war Berlin mit vielen Verbrauchern ein wichtiger Markt für niedersächsische Lebensmittelproduzenten, und die Marketinggesellschaft brachte sie alle auf die Messe. Heute nutzen die Unternehmen ganz andere Messeplätze, Absatzkanäle und Kommunikationsinstrumente, um Lebensmittel an die Käufer zu bringen. Doch die Niedersachsenhalle funktioniert auch in Zeiten von Influencer-Marketing und Social Media bestens. Wie damals präsentieren sich die niedersächsische Land- und Ernährungswirtschaft den Verbraucherinnen und Verbrauchern aus ganz Deutschland und treffen sich zum ersten großen Meinungsaustausch des Jahres. Der „Niedersachsenabend“ mit mehr als 2.000 Gästen in der Halle ist legendär. Auch den organisiert die Marketinggesellschaft.