Zukunftsweisendes genossenschaftliches Wohnprojekt in Aurich gestartet
veröffentlicht im Genossenschafts-Magazin Weser-Ems, Ausgabe 06/2019
Wie kann man in Zukunft im Alter sozial gesichert und bezahlbar wohnen? Diese Fragen stellten sich die Initiatoren eines neuen genossenschaftlichen Wohnprojektes in Aurich. Resultiert ist daraus im Dezember 2018 die Gründung der „Bau- und Wohnungsgenossenschaft Gartenbauversuchsanstalt Aurich eG“.

Die Gründung erfolgte mit der Unterstützung der Gründungsberatung unseres Verbandes. Erfreulicherweise wurde die Gründung dieser Sozialgenossenschaft auch vom Land Niedersachsen finanziell gefördert. Der Genossenschaft gehören derzeit sieben Mitglieder im Alter zwischen 50 und 60 Jahren an. Weitere Genossenschaftsmitglieder mit ähnlicher Altersstruktur sollen in den kommenden Jahren noch dazukommen.
Noch kurz vor dem Jahreswechsel konnte die Genossenschaft die ehemalige Gartenbauversuchsanstalt in Aurich-Haxtum kaufen. Das Gebäude der ehemaligen Gartenbauversuchsanstalt wurde um 1800 als Papierfabrik gebaut, mehrfach umgebaut und immer sehr unterschiedlich genutzt. Seit etwa 70 Jahren dient das nur einen Kilometer vom Stadtzentrum entfernt liegende Gebäude in erster Linie Wohnzwecken. Durch den Aufbau des Gebäudes in U-Form, mit zum Teil sehr großflächigen Wohnungen und großzügigem Innenhof, war es ständig ein Ort des gemeinschaftlichen Wohnens, insbesondere für Wohngemeinschaften und Großfamilien. In großen Teilen des Gebäudes besteht jedoch ein massiver Instandhaltungs- und Sanierungsrückstand mit feuchten Wänden, energetisch zum Teil desolatem Zustand und insgesamt nicht mehr zeitgemäßer Ausstattung. Dies führte zu einer hohen Fluktuation bei den Bewohnern und zunehmenden Leerstand. Daher stand das Objekt zum Verkauf. Ein Glücksfall für die Initiatoren der Genossenschaft.
Nach dem Kauf des Objektes durch die Genossenschaft werden nun zum Gebäudeerhalt zunächst der am stärksten sanierungsbedürftige Südflügel entkernt. Die Aufbauarbeiten sollen im Frühjahr des kommenden Jahres beginnen und Ende 2020 abgeschlossen sein. Es werden insgesamt acht bis elf Wohnungen für Paare und Alleinstehende entstehen. Diese werden alten- und zum Teil behinderten- gerecht ausgerichtet sein.
Der Nordflügel ist in einem baulich deutlich besseren Zustand und muss zunächst nicht grundsaniert werden und bleibt mit günstigen Mieten an die der-zeitigen Bewohner vermietet. Insgesamt wird rund 900 Quadratmeter sanierter Wohnraum geschaffen. Die für den Kauf und die Sanierung benötigten Finanzmittel belaufen sich auf etwa 2,5 Millionen Euro. Eine Förderung des Projektes durch das Land Niedersachsen ist beantragt.
Die Planung weist mehrere Besonderheiten auf. Zum einen die Flexibilität der Wohnungsgrößen. Geplant ist, dass diese der jeweiligen Lebenssituation der Bewohner (zum Beispiel Tod des Partners) durch Zusammenlegung oder Trennung einzelner Wohnungen anpasst werden können. Vorrangiges Ziel ist hierbei, den Wohnraum bezahlbar zu halten, sodass ein Umzug im Alter aus finanziellen Gründen nicht notwendig wird. Somit werden bereits in der Planungsphase Zugang, Anschlüsse, Elektrik und Heizung so konzipiert, dass mit geringem baulichen Aufwand Wohnungen bei Bedarf getrennt, aber auch zusammengelegt werden können. Zudem werden mehrere Gemeinschaftsräume geschaffen. Mit rund 15 Prozent der Wohnfläche wird hier ein starkes Signal gesetzt, dass der Schwerpunkt auf gemeinschaftlichem Wohnen liegen soll. Synergieeffekte wie beispielsweise gemeinsame Nutzung von Waschmaschinen, Werkstatt und Pkw, gemeinsamer Einkauf, Fahrdienst und insbesondere auch später bei Bedarf die gemeinsame Beschäftigung einer Pflegekraft mit Wohnmöglichkeit im Objekt komplettieren das Angebot. Eine anfänglich für Gäste vorgesehene Wohnung soll hierfür später genutzt werden.
Die sanierten Wohnungen werden mit einer auf Dauer garantierten Miete von voraussichtlich acht Euro/m2 Wohnfläche ausschließlich von Genossenschaftsmitgliedern genutzt. Bis auf die notwendige Instandhaltungsrücklage wird die Genossenschaft vermutlich keinen Gewinn erwirtschaften. Nach kompletter Tilgung des Darlehens nach 30 Jahren wird den dann noch lebenden Genossen und den nachfolgenden Generationen ein noch deutlich günstigeres Wohnen zur Verfügung stehen.
Primär erfolgt die Finanzierung des Projektes somit durch Mieteinnahmen von Genossen und Nichtgenossen und den Kauf der Geschäftsanteile der Genossen als Eigenkapital.
Mitfünfziger bereiten sich auf das Wohnen im Alter vor
Durch das frühe Zusammenziehen unter dem Dach der Genossenschaft soll eine gefestigte Wohn- und Lebensgemeinschaft entstehen. So können sich zum Beispiel nach dem Tod zurückbleibende Partner auf die gewachsene Gemeinschaft verlassen, der Vereinsamung wird vorgebeugt. Jetzt, im Alter zwischen 50 und 60 Jahren, sind die Mitglieder der Genossenschaft noch flexibel im Umgang mit anderen Mitbewohnern. Dieses genossenschaftliche Wohnprojekt wird somit ein fremdbestimmtes Leben durch beispielsweise Heimunterbringung so lange wie möglich hinauszögern, wenn nicht gar komplett verhindern können.