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„Entscheidungen zu treffen, ist wichtig fürs Erwachsenwerden“

veröffentlicht im Genossenschafts-Magazin Weser-Ems, Ausgabe 10/2023

Die Wilhelm-Busch-Schule in Bramsche hat seit vielen Jahren mehrere Schülerfirmen. Mit der Gründung einer nachhaltigen Schülergenossenschaft wird diese Arbeit auf eine neue, noch praxisorientiertere Ebene gestellt. Damit steigen Transparenz, Verbindlichkeit, Mitsprache und Verantwortung für Schüler und Lehrer.

 © Stephan Janssen
Die gewählten Aufsichtsräte und Vorstände präsentieren sich zum Foto: Mit dabei Christian Becker von der Vereinigten Volksbank eG (3.v.l.) neben Schulleiter Julian Schreiber sowie dem verantwortlichen Lehrer Christian Bruns (4.v.r.) sowie weiteren Kollegen und Schülern.

Mit viel Herzblut und stolz präsentierten die Mädchen und Jungen der Wilhelm-Busch-Schule in Bramsche (Landkreis Osnabrück) ihre seit vielen Jahren bestehenden sechs Schülerfirmen: Bücherei, Kiosk, Café, Fahrradwerkstatt, Schülerzeitung und Gartenküche hat die Förderschule im Sommer nun unter das gemeinsame Dach „Flashgroup eSG“ zusammengefasst. Die drei Buchstaben eSG stehen für eingetragene nachhaltige Schülergenossenschaft. Diese fungiert quasi als Zentrale, die Budgets aufstellt und über die Verwendung des Gesamtgewinns entscheidet, mit dem nötige Materialien oder Geräte angeschafft werden, der teilweise gespendet wird oder auch für einen gemeinsamen Ausflug genutzt werden kann. 

Für die Schüler der Förderschule ist es ein großer Tag. Die 33 Gründungsmitglieder und Gäste hören den Vorträgen und Ausführungen aufmerksam zu und wählen die genossenschaftlichen Gremien. „Mit der Flashgroup eSG setzen wir jetzt ein Dach über alle Bereiche und damit eine Gemeinschaft, die gemeinschaftlich und demokratisch entscheidet“, sagt Lehrer Christian Bruns bei der Gründungsversammlung der seit Spätsommer eingetragenen nachhaltigen Schülergenossenschaft. Christian Bruns ist für die Berufsorientierung an der Wilhelm-Busch-Schule verantwortlich und betreut das Projekt zusammen mit weiteren Kollegen. Diese erleben ihre Schützlinge erstaunlich souverän und konzentriert bei den Vorträgen.

Jeder wächst mit seinen Aufgaben

Die Gründungsveranstaltung ist offensichtlich keine schulische Pflichtveranstaltung, sondern ein kleiner Meilenstein. Dabei entsteht der Eindruck, dass jeder der präsentierenden Schüler ein wenig wächst mit seiner Aufgabe. Dies betonten immer wieder Lehrkräfte und auch betreuende Genossenschaftsunternehmen, Volksbanken und Raiffeisenbanken oder Raiffeisen-Warengenossenschaften. Die jungen Mädchen und Jungen entwickeln durch die Verantwortung in Schülergenossenschaften ihre Persönlichkeit und Kompetenzen. Für Christian Bruns „ist für das Erwachsenwerden zudem wichtig, zu lernen Entscheidungen zu treffen“. Das werde mit der Form der nachhaltigen Schülergenossenschaft sehr wirtschaftsnah vermittelt.

Nach rund zwei Stunden sind der Businessplan abgesegnet und der formale Gründungsakt strukturiert abgearbeitet. Die neuen Vorstände und Aufsichtsräte präsentieren sich stolz für das obligatorische Foto. Nach nur wenigen Tagen liegen die gesamten Unterlagen bei unserem Genossenschaftsverband Weser-Ems zur Prüfung und Aufnahme vor. „Es macht große Freude zu sehen, mit welchen Engagement die Lehrkräfte und Schüler die Gründung angegangen sind“, sagt Corinna Hoffmann, die in unserem Genossenschaftsverband nachhaltige Schülergenossenschaften betreut und zusammen mit unseren Verbandsprüfern die jährliche Prüfung begleitet. Geprüft wird in etwas vereinfachter und damit schulnaher Form.

Bei Problemen gebe es stets Hilfe und die Prüfung diene vor allem dazu, zu lernen und sich zu verbessern. „Dennoch müssen die Zahlen und Belege stimmen. Wenn das wiederholt nicht der Fall ist, gibt es im Zweifel auch mal ein ernstes Gespräch“, sagt Corinna Hoffmann. Marcus Krohn betont in diesem Zusammenhang, dass die Zusammenarbeit für die Schulen sehr hilfreich und motivierend sei und der beratende Aspekt auch bei der Prüfung immer im Vordergrund stehe. 

Arbeit wird noch realistischer

Für das Lehrerteam der Wilhelm-Busch-Schule wird mit der Gründung der eSG ein höheres Niveau erreicht, dass für mehr Verbindlichkeit, Transparenz, Mitsprache und Verantwortung sorgt. Der Aufwand zur Gründung einer nachhaltigen Schülergenossenschaften sei zwar hoch. Jedoch sei die Unterstützung durch Marcus Krohn, Berufsschullehrer in Northeim und Landeskoordinator für nachhaltige Schülergenossenschaften in Niedersachsen, sowie unseren Genossenschaftsverband Weser-Ems sehr gut. Und auch die Begleitung durch das Patenunternehmen, die Vereinigte Volksbank eG Bramgau Osnabrück Wittlage, sei motivierend und hilfreich gewesen. „Insgesamt ist das ein Gewinn für die gesamte Schule“, sagt Christian Bruns. Allein die jährliche Prüfung durch unseren Genossenschaftsverband sorge für Sicherheit und mache die Arbeit „noch mal realistischer“.  

Als Gewinn empfindet auch Christian Becker von der Vereinigten Volksbank seine Aufgabe. Der junge Bankkaufmann betreut die Flashgroup eSG: „Das bietet mir die Möglichkeit über den Tellerand zu schauen und auch wichtige Erfahrungen abseits des klassischen Bankgeschäfts zu sammle.“ Als Mitglied im Aufsichtsrat der Flashgroup eSG ist er mit Schüler und Lehrkräften im kontinuierlichen Austausch. Dabei könne er von den Schüler ebenso lernen wie umgekehrt. Gelegentlich den Blickwinkel zu verändern, eröffne neue Sichtweisen.    

Firmen schätzen praxisorientierten Ansatz

Nachhaltige Schülergenossenschaften gehören seit fast 20 Jahren zu einem festen Bestandteil der niedersächsischen Bildungslandschaft. Mittlerweile gibt es davon 70 im Land – 30 davon in Weser-Ems. Diese Form des berufsorientierten pädagogischen Arbeitens funktioniert schulformübergreifend von der Förderschule über die Oberschule bis ins Gymnasium oder die Berufsschule.   „Schülergenossenschaften bringen Wirtschaft sehr praxisnah in die Schulen und ermöglichen lebendiges Lernen, das Kompetenzen nachhaltig vermittelt, Berufsorientierung vermittelt und auf das Berufsleben vorbereitet“, betont Verbandsdirektor Johannes Freundlieb. Je nach Schulform kämen unterschiedliche Ansprüche zum Tragen. Doch stets werde damit eine praxisorientierte Grundlage geschaffen, die die mittelständischen Betriebe schätzten.