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Futtermittel: Local Hero zählt zu den Top Ten in Deutschland

veröffentlicht im Genossenschafts-Magazin Weser-Ems, Ausgabe 10/2023

Die Raiffeisenbank Ems-Vechte eG mit dem Warengeschäft Raiffeisen Ems-Vechte hat in den vergangenen Jahren kräftig in ihre Futtermittelwerke investiert und ist kontinuierlich gewachsen. So ist die genossenschaftliche Unternehmensgruppe zu einem der bundesweit bedeutendsten Hersteller geworden. Zuletzt wurde der Standort in Laar in der Grafschaft Bentheim für 12 Millionen Euro modernisiert. Das war die größte Investition in der Firmengeschichte.

 © Stephan Janssen
Für rund 12 Millionen Euro ist das Kraftfuttermittelwerk in Laar seit 2020 modernisiert worden. Dort ist mit der Investition ein neues Rohwarenlager entstanden.

Erntezeit - die Laster warten im Kraftfuttermittelwerk in Laar auf ihre Abfertigung. Es schwebt dieser typische Getreideduft über dem Gelände in der Grafschaft Bentheim. Eine Melange, die von Natur, von intensiver Feldarbeit, von robusten und zupackenden Menschen erzählt. Lukas Meyer liebt diesen Geruch. Landwirtschaft und Landleben haben den jungen Technischen Leiter der Raiffeisen Ems-Vechte geprägt. Doch es ist kein idyllisches Bilderbuchleben, sondern es wird von moderner Technik, einem rasanten Strukturwandel, wirtschaftlicher Weitsicht und gleichzeitigem Kostendruck bestimmt. „Wir haben hier ein Just-in-Time-Geschäft, müssen flexibel sein, schnell reagieren können und natürlich den Markt immer eng beobachten“, sagt der Verfahrenstechniker des Futtermittelherstellers.

Neue Pelletiermaschinen liegen bereit

Er ist seit rund drei Jahren dafür verantwortlich, dass das Kraftfuttermittelwerk der Raiffeisen Ems-Vechte in der Grafschaft Bentheim nahe der niederländischen Grenze reibungslos läuft. Sein Arbeitgeber hat dort in den vergangenen Jahren kräftig investiert. Rund 12 Millionen Euro sind seit 2020 in die Erneuerung der Technik geflossen. Und es werden noch mehr. „Das Werk wird in fünf bis zehn Jahren auf dem denkbar modernsten Stand sein“, sagt Lukas Meyer. Die neuen und in dieser Form in Deutschland einzigartigen Pelletiermaschinen mit „Mono-Roll“ liegen bereits einbaufertig auf dem Werkgelände.

Geschäftsführer Florian Kröger spricht von „viel Geld, das in die Instandhaltung und Erneuerung der Mischfutteranlagen“ fließt. Das Geschäft sei traditionell kapitalintensiv. Optimierung und Modernisierungen seien immer notwendig. Angesichts rückläufiger Tierbestände und des landwirtschaftlichen Strukturwandels sind diese Investitionen aber keine Selbstverständlichkeit. Rund 22 Millionen Tonnen Futtermittel werden derzeit in Deutschland jährlich produziert – Tendenz sinkend.

Futtermittel bringen 50 Prozent des Umsatzes

Bei der Raiffeisen Ems-Vechte sind Futtermittel aber das „Brot- und Buttergeschäft“, das 50 Prozent des Umsatzes einfährt und zur DNA der Genossenschaft mit Sitz im emsländischen Klein Berßen und ihrer rund 6.300 Mitglieder gehört. Die Investitionen sind somit „ein klares Bekenntnis zum Standort und zum Geschäftsmodell“. Dieses ist geprägt von einem kombinierten Bank- und Warengeschäft. So besteht die Genossenschaft aus der Raiffeisenbank Ems-Vechte eG und dem umfangreichen Warengeschäft der Raiffeisen Ems-Vechte. Diese Verbindung war vor einigen Jahrzehnten häufiger zu finden, ist heute aber eine Seltenheit.

„Mischkonzern“ hat Mitglieder im Fokus

Albert Weersmann nennt es einen „Mischkonzern“, der neben den klassischen Einsatzfeldern heute auch Windparks mit Investitionsvolumen im dreistelligen Millionenbereich projektiert und betreibt, nicht nur Futtermittel verkauft, sondern vor allem „komplexe Lösungen aus einer Hand für die Landwirte“ entwickelt und sich nicht scheut, Geschäftsfelder neu zu denken oder auch neu zu erschließen. „Zusammen mit unseren Mitgliedern müssen wir immer wieder neue Lösungen entwickeln, die weit über die reine Futtermittelherstellung hinausgehen. Wir denken in Wertschöpfungsketten, die wir möglichst umfassend gestalten wollen“, so Albert Weersmann. Jenseits des Bereichs Futtermittel nennt er aktuell auch den Ausbau des Vertriebs im Bereich Gemüseanbau, der zusammen mit den landwirtschaftlichen Betrieben vorangetrieben wird, als Beispiel, wie sich Wertschöpfung in genossenschaftlichen Reihen halten lasse. 

Qualitäts- statt Preisführerschaft

Bewusst habe man in den vergangenen Jahren im „Kerngeschäft Futtermittel“ auf Wachstum gesetzt, um Wirtschaftlichkeit und Qualität zu steigern und umfassende Wertschöpfungsketten vom Einkauf über die Herstellung bis hin zum Vertrieb entwickeln zu können. „Heute zählen wir zu den zehn größten Futtermittelherstellern in Deutschland“, erklärt Florian Kröger. In den drei konventionellen Produktionsstandorten und einem Bio-Futtermittelwerk produziert die Genossenschaft jährlich rund 750.000 Tonnen Futtermittel für Schweine, Rinder, Legehennen, Broiler und Pferde, davon rund 250.000 Tonnen in Laar. Angestrebt werde die Qualitätsführerschaft. Man wolle nicht über den Preis verkaufen, sondern die effizientesten Lösungen für die Landwirte anbieten. 

Diese Größe hat die Raiffeisen Ems-Vechte vor allem durch genossenschaftliche Zusammenschlüsse erreicht. Neue Futtermittelwerke würde kein Unternehmen in Deutschland mehr bauen, doch bestehende Werke zu modernisieren mache Sinn, erklärt Albert Weersmann, der zum vierköpfigen Vorstand des genossenschaftlichen Unternehmens zählt. Er zeigt auf die Karte des Geschäftsgebietes, das sich langsam vom emsländischen Firmensitz Klein Berßen hinaus in die Grafschaft entwickelt habe und - dank der Nähe zu den Niederlanden - mittlerweile auch international ausgerichtet ist.

Jeder 6. LKW fährt in die Niederlande

Das Nachbarland hat einen wesentlichen Anteil am Wachstum im Bereich Futtermittel. Vor rund sieben Jahren hat sich die Raiffeisen Ems-Vechte dazu entschlossen, diesen Markt zu bearbeiten. „Heute fährt jeder 6. bis 7. LKW über die Grenze zu unseren Nachbarn“, erklärt Geschäftsführer Florian Kröger. Rund 15 Prozent des Futtermittelumsatzes generiert die Genossenschaft aus dem Geschäft mit den niederländischen Kunden. Tendenz stabil bis steigend.

Darüber hinaus sorgen „Spezialitäten“ für ein wahrnehmbares Profil und für Alleinstellungsmerkmale. So produziert das Werk in Laar als Besonderheit neben Müslifutter auch Pferdefutter, welches größtenteils in Lohnproduktion für die Equovis GmbH, einer 100%-igen Tochtergesellschaft der Agravis Raiffeisen AG, hergestellt wird. „Jeder Pferdehalter in Deutschland hat wahrscheinlich schon mal etwas aus unserem Werk gekauft“, sagt Florian Kröger. Die 15.000 Tonnen Pferdefutter machen zwar nur einen geringen Anteil an der jährlichen Produktion in Laar aus. Dieser Anteil habe aber eine „hohe Wertschöpfung und hohe Sortimentstiefe mit vielen Produkten“.

Schnellerer Durchsatz durch moderne Technik

Derweil blickt Lukas Meyer zufrieden über das Gelände des Kraftfuttermittelwerkes in Laar. Die Entladung der LKW erfolgt schnell und problemlos. Die Lieferanten werden zügig abgearbeitet. Ein Blick in das große Sackwarenlager zeigt zudem, dass es gut gefüllt ist und verschiedene Aufträge planmäßig palettenweise zur Auslieferung bereitstehen. „Die Investitionen der vergangenen Jahre haben vor allem zu einem höheren und schnelleren Durchsatz geführt“, erklärt der Betriebsleiter. Mehr Effizienz und eine gute Qualitätssicherung und -kontrolle seien wichtig. Zudem sinke durch die moderne Anlagentechnik der Energieverbrauch spürbar. Bei einem jährlichen Verbrauch von rund 7 Millionen Kilowattstunden – so viel wie etwa 2.000 Durchschnittshaushalte - ein entscheidender Kostenfaktor.

Arbeitsbedingungen verbessert

Die Investitionen hätten aber vor allem dafür gesorgt, dass sich die Arbeitsbedingungen weiter verbessert hätten. Das Innenleben der Produktionstürme ist sauber. Helle Rohre, Klappen, Förderschnecken und Mahlwerke bestimmen das Bild, Staub liegt kaum in der Luft, die Geräuschentwicklung ist erstaunlich gering. Fahrstühle befördern die Menschen ebenso wie moderne Fördertechnik die Rohware nach oben in die Anlagentürme.

„Die Belastung durch Staub und Lärm ist deutlich geringer geworden. Das ist eine neue Qualität am Arbeitsplatz“, sagt Lukas Meyer. Die Produktionskapazität der Anlage sei zwar nicht gesteigert worden. Jedoch sei man „flexibler und schlagkräftiger“ geworden. So sei mit dem Ausbau des Rohwarenlagers vor allem auch die Annahmeleistung auf 220 Tonnen pro Stunde fast verdreifacht und durch die Automatisierung sei gleichzeitig der Personaleinsatz reduziert worden. Angesichts des Fachkräftemangels sei auch das ein wichtiger Faktor.

Müller steuern Produktion von der Schaltwarte

In der Steuerzentrale des Kraftfuttermittelwerkes sitzen die Müller Jan Krans und Hans-Jürgen Arends. Sie haben die Produktion auf den Computerbildschirmen im Blick. Die größte Herausforderung ist es, die richtige Reihenfolge der Produktion zu finden. So gibt es Rezepturen mit und ohne Gentechnik, es sind Reinigungs- und Einstellungszeiten zu beachten. Zudem muss die Produktion vor allem auf die notwendigen Auslieferungswünsche der Kunden optimiert werden. Beide Müller wechseln sich in der Regel mit der Arbeit in der Schaltwarte und der Betreuung der Anlagentechnik ab. „Die Abwechslung ist gut und macht Spaß“, sagt Jan Krans, der 2006 seine Ausbildung in Laar absolviert hat. Die beiden haben die Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte miterlebt und mitgestaltet. Langweilig werde es nie.    

Das Werk beschäftigt insgesamt rund 50 Mitarbeitende im gewerblichen Bereich, als Berufskraftfahrer, Produktionsmitarbeiter und im technischem Dienst. Die Produktion läuft im 3-Schichtbetrieb von Sonntagabend 22 Uhr bis Freitagabend 22 Uhr. Rund 1.200 Landwirte aus der Region werden beliefert. Als Partner ist auch die Grafschafter Lebenshilfe mit im Boot, die einen kleinen Teil spezieller Futtermittel verpackt. Albert Weersmann spricht von einer guten Zusammenarbeit, die eine wichtige soziale Aufgabe erfülle und „einen menschlich hohen Mehrwert“ darstelle. Auch das gehöre zur genossenschaftlichen DNA. 

„Wir wollen in der Region wachsen“

Insgesamt hat das Futtermittelwerk eine starke emotionale Bedeutung für die Region mit einer langen landwirtschaftlichen Geschichte. So stand früher auf dem Gelände in Laar eine Molkerei. Deshalb nennen die Menschen im Dorf den Standort immer noch „MoLa“. Die Veränderung zeigt, dass die Landwirtschaft die Herausforderung des Strukturwandels stets mutig angenommen hat. Das gilt aktuell auch für das sich verändernde Segment Futtermittel. Die Raiffeisen Ems-Vechte stellt sich dieser Veränderung als genossenschaftlicher Partner konsequent und erfolgreich. 

Dies sei man auch den Genossenschaftsmitgliedern und der Region schuldig. Albert Weersmann spricht von „hungrigen Landwirten, die etwas bewegen wollen“. Dies wolle auch die Raiffeisen Ems-Vechte, sagt der Vorstand: „Wir wollen in der Region weiterwachsen.“ Dazu sei Weitblick, das Denken über eine Generation hinaus, ein gutes Team und ein wenig Mut nötig. Grö­­­ße allein sei aber nicht entscheidend. Wachstum müsse organisch durch genossenschaftliche Zusammenarbeit erfolgen. Er spricht von „Kooperation statt Zukauf“, von einem „Local Hero“, der keinesfalls ein „Global Player“ werde wolle, sondern zu seinen Wurzeln steht.