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Schottland staunt: Der erste Single Malt aus Ostriesland

veröffentlicht im Genossenschafts-Magazin Weser-Ems, Ausgabe 12/2023

Die Friesenwhisky eG in Aurich entwickelt sich zu einer hochprozentigen Erfolgsgeschichte. Aus einer „Schnapsidee“ ist seit 2019 ein ausgewachsenes Start-up geworden, das deutlich mehr als ein Freizeitspaß ist. Die Ostfriesen sind für ihre zuweilen ungewöhnlichen Besonderheiten bekannt. Das Plattdeutsche als eigene Sprache gehört ebenso zur Identität wie der echte Ostfriesentee und der „Nationalsport“, das Klootschießen. Nun schickt sich eine weitere Spezialität an, sich über die Grenzen Ostfrieslands hinaus einen Namen zu machen und die ostfriesische Geschichtenwelt zu bereichern: der Ostfriesenwhisky. Die Mischung der Zutaten klingt wie eine kleine Weltreise und steht für das Unverwechselbare. Destilliert in Kentucky, veredelt in französischen Eichenfässern, in denen mallorquinischer Wein gelagert wurde und anschließend in Aurich mit kubanischem Rum befüllt wird. Aber dazu später mehr.

Im Kern ist es einfach und es geht um eines, sagt Heiner Labohm, der zusammen mit Jens Beyrich der kleinen Friesenwhisky eG mit Sitz in Aurich vorsteht: „Um den guten Geschmack, den wir als Ostfriesen immer im Sinn haben“. Die hochprozentige Genossenschaft wurde 2016 aus einer „Schnapsidee“ heraus geboren und schließlich von sechs Männern im Jahr 2019 gegründet. Sie verband das Bestreben, einen eigenen Whisky zu kreieren, der „einfach gut schmeckt“. Denn die bis dahin vielfach gekosteten Brände, vor allem deutsche Whiskys, mundeten den Herren – trotz namhafter Etiketten und teilweiser üppiger Preise – nicht so recht. Mit dabei in der Whisky-Runde war und ist auch Johann Kramer, Vorstandsvorsitzender der Raiffeisen-Volksbank eG. In deren Räumlichkeiten im Zentrum von Aurich hat die Friesenwhisky eG anfangs mit einem kleinen Büro auch Unterschlupf gefunden.

Vom Freizeitspaß zum Start-up

Die Genossenschaft ist aber längst aus dem Freizeitstatus einer geselligen Männerrunde rausgewachsen. „Die Nachfrage hat uns mehr als überrascht“, sagen Vorstand Heiner Labohm und Gründungsmitglied Ralf Klöker. Mittlerweile verkaufen die Auricher Genossen rund 10.000 Flaschen pro Jahr von ihrem „Ostfriesenwhisky“ sowie von dem bereits mit Rum, Likör, Gin und Rotwein erweitertem Portfolio. Die Produkte sind im Lebensmittelhandel, in Restaurants, Hotels und im Online-Handel erhältlich und allesamt im mittleren Preissegment angesiedelt. Eine Flasche Friesenwhisky ist ab etwa 35 Euro zu haben. Der Erfolg ist umso überraschender, da keiner der Gründer aus der Branche kommt oder über wirkliche Vorkenntnisse verfügte. „Einzig der gute Geschmackssinn war vorhanden“, sagt Heiner Labohm und lächelt. Dieser ist aber in der Tat wichtig, um bei entsprechenden Verkostungen und Proben herauszufiltern, was und wie man den richtigen Geschmack eines Whiskys entwickelt. „Wenn man den Geschmack lesen kann, kann man sich daran wagen“, sagen der Vorstand und Ralf Klöker, die nach eigenem Bekunden beide „ganz gut schmecken“ können. Ob dieser gute Geschmackssinn angeboren oder hart erarbeitet ist, lassen sie lächelnd im Unklaren.

Single Malt und Handarbeit: Qualität liefern

Glasklar für sie dagegen ist: Wir wollen Qualität liefern! Deshalb ist ihr Whisky echte „Handarbeit“ – ein in Ostfriesland endgereifter Single Malt, somit keine Mischung verschiedener Sorten und Fässer sowie gänzlich frei von Zusätzen. Nur das „gute, weiche ostfriesische Wasser“ wird genutzt, um den hochprozentigen „Ostfriesenwhisky“ von der „Fassstärke“ auf die nötige „Trinkstärke“ zu bringen. Aber auch etwa 20 Flaschen werden pro Fass unverdünnt mit knapp 60 Prozent Alkoholgehalt abgefüllt. Dieser sogenannte Cask Strenght gilt unter Kennern als besonderer „Leckerschluck“. Zuckercouleur, mit dem man Whisky eine immer gleiche Farbe verleihen kann, ist ebenso tabu wie Glycerin oder künstliche Aromen; alles Zusätze, die zuweilen bei der industriellen Fertigung genutzt werden. „Deshalb gibt es bei uns von Fass zu Fass auch leichte Farb- und Geschmacksunterschiede“, so Heiner Labohm. Die 240 Liter fassenden Eichen- und Weißeichenfässer, die für die Geschmacksentwicklung des Whiskys entscheidend sind, kommen aus Frankreich, gehören zur Top-Liga und werden auf Mallorca von Weinbauern beim Rotwein-Anbau genutzt, bevor sie nach Aurich kommen.

Der Rohwhisky wird vier Jahre vorgelagert und kommt aus Kentucky in den USA, der Heimat des Bourbon Whiskys. Die Barriquefässer werden dann in Aurich einige Monate mit Rum aus Kuba vorgelagert, bevor der Bourbon Whisky eingefüllt wird und seinen letzten Schliff erhält. So treffen amerikanische Destillierkunst und feurig-sonnengereiftes karibisches Temperament auf die rauhe Nordseeluft: eine einzigartige Mischung. Dabei gilt das norddeutsche Motto „In der Ruhe liegt die Kraft“. Ein guter Whisky braucht vor allem eines: Geduld. „Abgefüllt wird erst dann, wenn der Geschmack stimmt“, erklärt Ralf Klöker. Die Beschriftung der Flaschen erfolgt ebenso per Hand wie die Abfüllung selbst. Dabei wird die Genossenschaft seit Produktionsbeginn von der Werkstatt für behinderte Menschen wfbm Aurich-Wittmund unterstützt. „Mit der wfbm haben wir als Genossenschaft einen Partner gefunden, der gut zu uns passt“, sagt Ralf Klöker. So sei die Arbeit für die Beschäftigten der wfbm etwas Besonderes und stehe auch unter einem sozialen und gesellschaftlich-integrativem Aspekt.

Neue Halle im Bau

Um diesen Prozess und die Zutaten auszutüfteln, hat es einige Zeit gedauert. „Und es war nicht klar, ob das, was wir im Kleinen entwickelt haben, auch in großen Fässern tatsächlich funktioniert“, sagt Heiner Labohm. Doch der Mut hat sich gelohnt und am Ende schmeckte der „Ostfriesenwhisky“ so, wie die Männer sich das vorgestellt haben: einfach gut. Aber nicht nur der Geschmack hat sich wie gewünscht entwickelt, auch die Friesenwhisky eG ist zu einem ansehnlichen Start-up geworden. So bauen die Auricher Genossen aktuell eine neue Halle, in dem die Fässer künftig gelagert werden sollen. Derzeit sind diese noch in einem Mühlengebäude in Großefehn untergebracht, das dem Mitgründer Arnd Büdenbender gehört. Aus den anfänglich sechs sind aber mittlerweile fast 60 Fässer geworden. Diese Menge erfordert neue Kapazitäten. Heiner Labohm, der eigentlich aus der IT-Branche kommt, kümmert sich mehr oder weniger hauptberuflich um die Unternehmensentwicklung. „Auf jeden Fall nimmt Friesenwhisky einen immer größeren Zeitaufwand in Anspruch“, so der Vorstand, der auch die Entwicklung des Layouts von Logo und Erscheinungsbild der Marke selbst übernommen hat.

Marketingclou: Urlauber lieben den Dreierpack

Das Wissen über Whisky haben er und seine Kollegen sich nach und nach erarbeitet. Whisky ist nicht nur ein Lebensgefühl, sondern auch eine „sehr spezielle Wissenschaft“. Bei den Erklärungen wird deutlich: die Leidenschaft, die Kreativität und der Tatendrang der Männer ist groß. So ist nicht nur das Portfolio erweitert worden. Mit ihrem „Ostfriesen-Dreier“ – Whisky, Rum und Likör in kleinen Fläschchen – haben die Genossen bereits vor einiger Zeit einen kleinen Marketingclou gelandet, der vor allem bei den Touristen an der Nordsee und auf den ostfriesischen Inseln der Renner ist. Die Konkurrenz habe die Idee bereits kopiert, weiß Ralf Klöker.

Seit einiger Zeit tüfteln die Genossen auch an einer neuen Whisky-Variante. So soll der Reifeprozess probeweise in einem biergetränkten Fass erfolgen. Das Bier komme natürlich aus einer ostfriesischen Brauerei und der erste Test sei sehr vielversprechend verlaufen. Bier trifft auf Whisky – diese Mischung vereint das Beste aus zwei Welten. Mit „made in Ostfriesland“ wird diese hochprozentige Kreation möglicherweise zu einer weiteren besonderen Geschichte, die sicherlich nicht die letzte der Friesenwhisky eG sein wird.

Im Überblick:

Friesenwhisky – dem guten (ostfriesischen) Geschmack verpflichtet

Arnd Büdenbender, Jens Beyrich, Ralf Klöker, Johann Kramer, Michael Jansen und Heiner Labohm haben 2019 die Friesenwhisky eG in Aurich gegründet. Insgesamt zählt sie 13 Mitglieder. Alle vereint: Sie fühlen sich dem guten (ostfriesischen) Geschmack verpflichtet. Es wurde lange getüftelt, geprobt und versucht und man hat sich viele Dinge angeschaut, bis die richtige Whiskykreation gefunden war. Das Büro ist direkt in Aurich angesiedelt, die Lagerung der Reife-Fässer erfolgt bislang in einem Mühlengebäude im nahegelegenen Großefehn. Derzeit bauen die Genossen eine rund 300 Quadratmeter große Halle in Aurich, wo die rund 60 Fässer künftig lagern sollen. Der Vertrieb erfolgt unter anderem über die Supermärkte von Edeka und der Bünting-Gruppe (famila und Combi), über Online-Händler sowie in Restaurants, Hotels und auf den ostfriesischen Inseln.

Die Genossenschaft nutzt vier Jahre vorgelagerten Bourbon Whisky aus den USA und veredelt diesen in Barriquefässern aus Frankreich. Den besonderen Geschmack erhält der „Ostfriesenwhisky“ durch die Fässer, die mit örtlichen Sorten mallorquinischen Rotweins gefüllt waren und in Aurich mit kubanischem Rum veredelt werden. Durch diese Vorlagerung nimmt das Holz entsprechende Aromen auf, die die hochprozentige Rohware in einer mehrmonatigen Lagerung geschmacklich prägen. Die Abfüllung erfolgt fassweise – also Single Malt. Verschiedene Fassfüllungen werden beim Ostfriesenwhisky nicht untereinander gemischt.

Der ostfriesische Single Malt wird lediglich mit gereinigtem ostfriesischen Wasser verdünnt, um den Alkoholgehalt auf 46 Volumenprozent zu reduzieren. Rund 20 Flaschen pro Fass werden als Cask Strength abgefüllt – also als limitierte Auflage in ursprünglicher Fassstärke mit einem Alkoholgehalt von knapp 60 Prozent. Bei der Abfüllung sind als Partner die Werkstätten für behinderte Menschen (wfbm) in Aurich-Wittmund mit im Boot. Der gesamte Arbeitsprozess ist von der Einlagerung in die Fässer über die Abfüllung in die Flaschen bis hin zur individuellen Beschriftung der Etiketten von Handarbeit geprägt.

Neben ihrem „Ostfriesenwhisky“ hat die hochprozentige Genossenschaft mittlerweile auch den „Ostfriesenrum“ und den Rotwein „Ostfriesenrot“ im Angebot. Diese werden jeweils aus der Vorlagerung gewonnen. Der Whiskylikör „Frisonia“, der durch den Zusatz von Saft aus von in Aurich angebauten Aroniapflanzen entsteht, gehört ebenfalls dazu. Seit diesem Jahr neu im Portfolio ist auch der „Ostfriesengin“, der auf Kornbasis und mit weitere 51 natürlichen Zutaten (Botanicals) entsteht. Die Wacholderbeere ist aber auch beim „Ostfriesengin“ der prägende Inhaltsstoff der Rezeptur, die, wie alle Entwicklungen der Friesenwhisky eG, ein gut behütetes Geheimnis ist.