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Stimmung schlechter als die Lage

veröffentlicht im Genossenschafts-Magazin Weser-Ems, Ausgabe 01/2024

Auf unserem Landwirtschaftstag Weser-Ems wurde das große Potenzial der Branche deutlich. Aber der Strukturwandel wird zu weiteren Veränderungen führen. Die Konzentration wird anhalten, Investitionsschwerpunkte verlagern sich und die Themen Energie und Nachhaltigkeit werden immer wichtiger: für die Höfe und für die finanzierenden Genossenschaftsbanken.

Der Landwirtschaft in Weser-Ems geht es in vielen Bereich gut. Da zeigten jüngst die Zahlen der Landwirtschaftskammer Weser-Ems (LWK). Diese sprach auf einer Pressekonferenz im November hinsichtlich der wirtschaftlichen Ergebnisse von einem außergewöhnlichen Geschäftsjahr. So sei der durchschnittliche Gewinn pro Hof auf rund 148.000 Euro gestiegen. Dennoch ist die „Stimmung teilweise deutliche schlechter als die reinen Zahlen vermuten lassen“, betonte LWK-Fachbereichsleiter Dr. Albert Hortmann-Scholten auf unserem Landwirtschaftstag Weser-Ems Ende November in der Genossenschaftsakademie Weser-Ems in Rastede. Das gute zurückliegende Jahr dürfe zudem nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Höfe eine wirtschaftliche Durststrecke hinter sich hätten und dringend ihre Eigenkapitaldecke stärken müssten, um die Herausforderungen der Zukunft bewältigen zu können.

Gutes Potenzial - große Chance
Insgesamt wurde auf der von unserem Unternehmensberater Ralf Peter Janik moderierten Veranstaltung deutlich, dass die Landwirtschaft in Weser-Ems ein hohes Potenzial besitzt, innovativ aufgestellt ist und sich große Chancen für die Betriebe bieten. Neben dem Kerngeschäft spielen die Themen regenerative Energieerzeugung und Energieeffizienz eine immer wichtiger werdende Rolle. Diese standen auch in Rastede im Fokus ebenso wie das Thema Nachhaltigkeit.

Für die Berater der Volksbanken und Raiffeisenbanken in Weser-Ems gab es wichtige Einblicke, welche Investitionen auf den Höfen tatsächlich sinnvoll sind, worauf im Details zu achten ist und wo sich möglicherweise neue Ertragschancen für die landwirtschaftlichen Betriebe auftun könnten. Dabei wurde einmal mehr deutlich, dass die Transformation der (Land-)Wirtschaft hohe Investitionen und damit verlässliche Finanzpartner erfordert. „Die Genossenschaftsbanken sind seit ihrem Bestehen partnerschaftlich an der Seite der Landwirtschaft und werden dies auch in Zukunft sein“, betonte Ralf Peter Janik. 

Verlagerung von Investitionen    
Gleichzeitig werde der Strukturwandel dazu führen, dass sich die Kundenbasis der Banken verkleinere, die Investitionsbereitschaft der Landwirte im Kerngeschäft möglicherweise sinken werde und sich die Investition aus der Tierhaltung in den Pflanzenbau verlagern würden, so Dr. Albert Hortmann-Scholten. Dies führe in nachgelagerten Bereichen wie im Landhandel ebenfalls zu Konzentrationsprozessen. Ausbleibende oder unklare politische Vorgaben, ein fehlendes politisches Bekenntnis zur regional hochwertigen Landwirtschaft, ein hoher bürokratischer und regulatorischer Aufwand und ein sich veränderndes Verbraucherverhalten – all das versunsichere neben dem Strukturwandel viele Betriebsinhaber trotz einer aktuell guten betriebswirtschaftlichen Lage, betonte LWK-Fachbereichsleiter in seinem Vortrag, der einen umfassenden Überblick über die Agrarmärkte vor dem Hintergrund der gesellschaftlich geforderten Transformation gab.

Wettbewerbsfähigkeit gefährdet
Insbesondere im Bereich Nutztierhaltung hält Dr. Albert Hortmann-Scholten aufgrund von realitätsfremden politischen Vorgaben und Auflagen die „Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Tierhaltung für massiv gefährdet“. Deutschland als Hochlohnland könne die immer weiter steigenden Auflagen kaum mehr kompensieren. Dies führe zu mehr Fleischimporten, die in der Regel deutlich unter den von heimischen Produzenten geforderten Standards lägen. Gerade aus der Nutztierhaltung erwirtschafteten die Betriebe in Weser-Ems, aber auch bundesweit einen großen Teil ihrer Erträge. Politisch anvisierte Anteile von 30 Prozent Bio-Fleisch in Deutschland seien völlig unrealistisch. Die aktuellen Bio-Marktanteile lägen bei Fleischprodukten bei 0,7 bis einem Prozent. Der Verbraucher wolle zwar Bio, aber nicht dafür bezahlen. Der Umstieg auf Bio-Produktion sei nicht grundsätzlich wirtschaftlich unsinnig, sofern konkrete Vertriebsmöglichkeiten bestünden. Aber es bleibe eine Nische.

Tierwohl stärken – CO2-Fußabdruck senken
Statt den Fokus auf die Bio-Produktion zu legen, plädiert die LWK vor allem für die Stärkung und den Ausbau des Tierwohls. Dabei setzt Dr. Albert Hortmann-Scholten vor allem auf die Stallhaltung, die einen hohen Seuchenschutz und erstklassige Lebensmittelqualität und -sicherheit gewährleiste und gleichzeitig eine nachhaltige Bewirtschaftung ermögliche. Insbesondere gelte es den ökologischen Fußabdruck und die Nachhaltigkeit auf den Betrieben weiter zu verbessern. „Dies spielt auch bei der Kreditvergabe eine immer wichtigere Rolle“, so Dr. Albert Hortmann-Scholten. Es sei jedoch ein Irrglaube, „Bio“ mit mehr Nachhaltigkeit gleichzusetzen. Gerade bei der Bio-Nutztierhaltung sei die CO2-Belastung höher als in der konventionellen Bewirtschaftung.

Die großen Fleischverarbeiter in Deutschland hätten bereits Initiativen gestartet, die die CO2-Reduzierung im Fokus hätten. „Die Messung der CO2-Emmissionen wird auf allen Stufen der Fleisch- und Futterproduktion kommen“, so der LWK-Fachbereichsleiter. Damit müsse sich auch die Landwirtschaft intensiv auseinandersetzen. Insgesamt sei die weltweite Nachfrage nach Fleisch steigend, so dass sich trotz eines tendenziell rückläufigen Konsums in Deutschland gute Absatzmöglichkeiten im Export böten. Ähnlich positive Aussichten habe die Milchwirtschaft. Es verstärkten sich die Anzeichen, dass der jüngste starke Rückgang der Auszahlungspreise zumindest seinen Boden gefunden habe. Dabei sei entscheidend, dass die Molkereien die Rohware Milch in höherwertige Produkte wie Käse veredeln könnten und internationale Vertriebswege nutzten.   

SONNE, WIND, BIOMETHAN
Landwirtschaft wichtig für Energiewende

Wind, Sonne und Biogas und Biomethan – die moderne Landwirtschaft ist ohne regenerative Energien kaum mehr vorstellbar. Dies betonte Helmut Wahl von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen (LWK) auf dem Landwirtschaftstag Weser-Ems. Dies werde sicherlich auch in Zukunft so bleiben. Jedoch gebe es viele Details zu beachten und aktuell angesichts der Haushaltssperre des Bundes auch eine teilweise unsichere Förderkulisse. Ohnehin würden sich die Bedingungen hinsichtlich der Förderfähigkeit von regenerativen Energieanlagen stetig verändern. Dies gelte insbesondere für die Installation von Photovoltaikmodulen.

Hoher Eigenverbrauch steigert Wirtschaftlichkeit
Aufgrund dieser Gegebenheiten und in Bezug auf den Produktionsschwerpunkt des Hofes „kann sich eine sehr unterschiedliche Wirtschaftlichkeit ergeben“. „Grundsätzlich gilt, dass ein hoher Eigenverbrauch Photovoltaikanlagen wirtschaftlich macht“, so der LWK-Fachberater. Vorsicht sei bei dem Ersatz defekter Photovoltaikmodule bei bestehenden Anlagen geboten. Ein Austausch sei unter gewissen Voraussetzungen möglich, sollte aber stets mit dem Netzbetreiber abgestimmt werden, da ansonsten ein Verlust der EEG-Vergütung droht.  Für sogenannte ausgeförderte Anlagen (20 Jahre EEG-Vergütungszeit abgelaufen) sei häufig der Eigenverbrauch die wirtschaftlichste Lösung, sofern technisch alles in Ordnung ist. Beim Ersatz der Anlage, dem Repowering, sei zu beachten, dass diese vergütungstechnisch als Neuanlage eingestuft werde.

Leistung Photovoltaik steigt – Kosten sinken wieder
Grundsätzlich habe sich der Ertrag aus der Sonnenkraft aber erhöht. „Die durch den Klimawandel  zunehmende Sonnenstrahlung wirkt sich in diesem Fall positiv aus“, so Helmut Wahl. Zudem seien die Kosten für PV-Anlagen wieder deutlich, beispielsweise um bis zu 40 Prozent bei den Modulen, gesunken, nachdem diese im vergangenen Jahr Höchststände erreicht hatten. Zum Thema Agri-PV – Sonnenkraftwerken auf den Felder bei gleichzeitiger landwirtschaftlicher Bewirtschaftung – starte die LWK zudem in Kürze eine Pilotanlage, um Erfahrungen zu sammeln.

Biomethan eröffnet neue Chancen
Zu einer weiteren Ertragsquelle haben sich in den vergangenen Jahrzehnten Biogasanlagen für viele landwirtschaftlichen Betrieben entwickelt. Mit der Aufbereitung von Biogas zu Biomethan eröffne sich zudem ein neuer zukunftsträchtiger Markt, sagte Henning Dicks, Geschäftsführer der agriportance GmbH aus Münster, in seinem Vortrag „Biomethan als Post-EEG-Modell für Biogasanlagen?“. Den damit verbundenen technischen und finanziellen Herausforderungen stünden gute wirtschaftliche Diversifikationsmöglichkeiten und Chancen gegenüber. Von dem Verkauf von Treibhausminderungsquoten über die Verflüssigung von CO2 bis hin zur Vermarktung. Abnehmer können Tankstellen und Mineralkonzerne, große Industrieunternehmen und Kommunen sein. Biomethan kann dabei den fossilen Brennstoff Erdgas ersetzen und damit einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten.